tag:blogger.com,1999:blog-79348359029506687032024-02-07T13:21:53.161+01:00Dayfrag - Fragment des TagesHubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.comBlogger81125tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-53783914500924757672013-02-04T00:13:00.000+01:002013-02-04T22:26:57.612+01:00Missratene Hoffnung<div style="text-align: justify;">
<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Das Land der Verheißung lag direkt vor ihnen, unbegrenzt und ohne Ende. Und am Horizont die Stadt, die sich wie ein endloser Bergrücken dahinzog. Oder waren es Dörfer, dicht an dicht; so weit entfernt, dass das menschliche Auge sie schon nicht mehr auseinanderhalten konnte? Und dahinter erst die Stadt? Die goldenfunkelnden Kirchenkreuze, die zuweilen wie Funken aufblitzen, ließen erahnen, dass hier etwas Großes begann. Ja, es erschien ihnen, als ob gemünztes Gold frei in der Luft schwebte. Und alles war in eine tiefe Stille getaucht, in der sich selbst das Gezwitscher der Singvögel verlor.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Der Atem stockte Frazer in der Brust und staunend rief er aus: »Mein Gott, diese unermessliche Weite!<o:p></o:p></span><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px;">«</span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er fiel seinem Kameraden in die Arme, umfasste ihn und tanzte, gerade weil der Krieg noch in seinem Herzen war. Dann lief er voraus und scheuchte die Vögel am Wege auf. Es gab keinen Stillstand mehr, keine Ruhe. Das Leben konnte nun beginnen. Schon sah er es überall pulsieren. Wie in einer munter klappernden Mühle das Getreide in Mehl verwandelt wird, so würde auch bei ihm aus allen Abfällen und jedem Dreck das bare Geld herausgemahlen werden. Er spürte, wie ihm vor Erregung der Kopf schwirrte. Aus seinen blitzenden Augen sprach eine gewisse unklare Ungeduld, die seine schwärenden und wundenübersäten Beine schneller und immer schneller vorantrieb, daneben aber auch etwas anderes, eine seltsame, irre Unruhe, die ihn nach jeder gewonnen Schlacht geplagt hatte, genährt aus der Gewissheit, dass der Sieg die nächste Schlacht gebar. Es war lediglich eine Frage der Zeit. <o:p></o:p></span></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgwU5exzKp1rw4xwtwO6xgX7_3cZgyYSFGTZchWsjUEqo4iz0oIoRt645l1d1yKMJN5gVlvKxAA7eHGnsUAas3_FbW8ZPLm8HcDju1obAu_IlK9TAM_MGMORQcf4c2nW1_5zo5sK3rmS_M/s1600/Missratene+Hoffnung.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgwU5exzKp1rw4xwtwO6xgX7_3cZgyYSFGTZchWsjUEqo4iz0oIoRt645l1d1yKMJN5gVlvKxAA7eHGnsUAas3_FbW8ZPLm8HcDju1obAu_IlK9TAM_MGMORQcf4c2nW1_5zo5sK3rmS_M/s400/Missratene+Hoffnung.jpg" width="400" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Als er den Berg hinunterstürmte, als ob es um sein Leben ging, überfielen ihn alte Kindheitserinnerungen, undeutlich und verschleiert, aber einen Satz hörte er klar: »Pass auf mein kleiner Frazer, die Gefahr, überfahren zu werden, ist am größten, wenn man gerade eben einem Wagen ausgewichen ist.« Das hatte ihm der Großvater mit auf den Weg gegeben, als Frazer zum ersten Mal allein auf den großen Jahrmarkt im Nachbardorf hatte gehen dürfen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Dieser Satz ließ ihn jetzt stolpern, wie er glaubte. Er stand auf und fiel abermals. Er lachte über seine Ungeschicklichkeit, aber in Wahrheit war ihm danach, laut zu heulen. Wegen des erbärmlichen Zustandes seiner Uniform, wegen der Wunden an seinen Beinen, aber vor allem, weil die Welt, das Leben ihm auf einmal unerträglich vorkam.<o:p></o:p></span></div>
Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-53830575340599548572013-01-21T07:30:00.000+01:002013-01-21T22:33:16.849+01:00Aura<!--StartFragment--> <br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Für Sophie war jeder Mensch mehr als das, was man gemeinhin sah. Jeden umgab eine Aura, - die aber nicht mit irgendeiner besonderen Ausstrahlung an einem bestimmten Punkt seines Lebens zu verwechseln war, die ihn umgrenzte, sondern die ständig um ihn herum war und sich stetig ausweitete. So etwas wie seine materialisierte Geschichte. Denn je älter der Einzelne wurde, um so stärker, um so größer wurde sie. Zu ihrem Bedauern konnten das nur wenige erkennen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Was wir auch immer unser Eigen nennen, hat auf eine magische Weise an uns teil«, pflegte sie gleich zu Beginn ihrer Bankseminare zu sagen, obwohl sie wusste, dass vier der zehn Manager daraufhin ihren Sachen einpacken und den Raum verlassen würden. <o:p></o:p></span></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjTVYO-fVaNDQf833wQ-_mN5W6qsXMg0VZwWcBSZWXwi7SCdssjH6Q8JipJy4hgNIUNj5bW9pyPFN5v7p4XPEuXfigbsTuaOrbSktluCMbqyKa9vkWw0t8Y4Hr9Jr1Me72WdPtPyPzaiTE/s1600/46.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="246" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjTVYO-fVaNDQf833wQ-_mN5W6qsXMg0VZwWcBSZWXwi7SCdssjH6Q8JipJy4hgNIUNj5bW9pyPFN5v7p4XPEuXfigbsTuaOrbSktluCMbqyKa9vkWw0t8Y4Hr9Jr1Me72WdPtPyPzaiTE/s320/46.jpg" width="320" /></a></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Trotz des Radaus, den die Banker aus Protest dabei machten, fuhr sie jedes Mal unbeirrt fort. »Selbst unsere abgeschnittenen Haare und Nägel bleiben weiterhin mit unserem Wesen verbunden«, sagte sie lächelnd, aber mit leicht zitternder Stimme, und dachte dabei an Geld, das auch mehr war, als das, was man gemeinhin sah, das sie aber hier nicht ansprechen würde, obwohl sie es müsste. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Dinge, mit denen wir irgendwann einmal in Berührung gekommen sind, sind von unserer Persönlichkeit durchtränkt; auch unser Name gehört ebenso zu uns wie irgendein Körperglied.« <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Spätestens jetzt standen meist zwei weitere Manager auf. Sie aber, ein Fels in der Brandung, trieb es weiter. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Aber auch Dinge«, sagte sie jetzt sicherer, »mit denen wir persönlich nie näher zu tun gehabt haben, sind mit unserem Wesen verkettet.« <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Jetzt ging sie meist zu einem der vier zurückgebliebenen Teilnehmer, ganz nahe, dass sie sein Rasierwasser riechen konnte, das bald seinem Angstschweiß Platz machen würde. »Eine Fotografie zum Beispiel«, sagte sie dann und blickte ihm tief in die Augen, »die Sie darstellt, ist aufs Engste mit Ihnen verflochten, denn ihre magische Spannung strömt in Ihr Porträt oder Ihr Standbild ein.« <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Sie drehte sich um und starrte auf die Wand. »Es ist doch allgemein bekannt, wie ungern primitive und einfache Menschen sich fotografieren lassen: Sie empfinden Furcht davor, ein Stück ihrer selbst in den Händen von Fremden zu lassen.« <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Hier machte sie jedes Mal eine Pause und ging zu ihrer Tasche, um den Fotoapparat hervorzukramen. Dann drehte sie sich wieder um, die Kamera wie eine Pistole auf ihn gerichtet. »Sie haben doch nichts dagegen?«<o:p></o:p></span></div>
<!--EndFragment-->Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-2109402020596553502012-12-17T21:22:00.002+01:002012-12-17T21:23:23.254+01:00Grabenkämpfe<div style="text-align: justify;">
<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Um der Eintönigkeit der Schreibstube zu entfliehen, war er seinen wieder zum Leben erwachten Trieben nach Expansion gefolgt, wie übrigens alle Männer seiner unmittelbaren Umgebung und seines Alters, und hatte sich an die Front gemeldet. Jetzt musste er nicht mehr zweifeln, ob er den richtigen Beruf, die richtige Frau oder das richtige Leben erwählt hatte und die entsprechenden Anforderungen erfüllte. Der Krieg hatte diese Unsicherheiten, diesen inneren Widerstreit erstickt und durch solche Dinge wie Gehorsam und Disziplin abgelöst, denen er sich freiwillig, ja sogar mir Hurra-Geschrei unterworfen hatte.</span></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjE8_v2qTmm3fv5TyIiMGyX0Cq4QOAR7F41pnukBnAqaL1CHpLQ-rjuAz-KlF4Q6MPpaP53Fcou6pmYzVIimmMYJf-ZBR0f6jmJ2c-PIgQYqh67203WOY7vG4nIefUmrWSNfLnUvf4At-g/s1600/Plumsklo.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em; text-align: justify;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjE8_v2qTmm3fv5TyIiMGyX0Cq4QOAR7F41pnukBnAqaL1CHpLQ-rjuAz-KlF4Q6MPpaP53Fcou6pmYzVIimmMYJf-ZBR0f6jmJ2c-PIgQYqh67203WOY7vG4nIefUmrWSNfLnUvf4At-g/s320/Plumsklo.jpg" width="320" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Am Anfang hatte freilich sein übermenschlicher Hass gestanden, sein Hass gegen den Erbfeind Frankreich, dem er es wieder einmal so richtig hatte zeigen wollen. - Hass war aber eigentlich gar kein Ausdruck gewesen für das, was er damals empfand.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Das Wort das meine Gefühle gegen die verweichlichten Franzosen bezeichnet«, erklärte er dem Amtsleiter bei seinem Abschied, während er seine Ärmelschoner abstreifte, »muss erst noch erfunden werden. Ich hasse sie, genau genommen, auch gar nicht. Ich hasse ihr Blut. Verstehen Sie das? Ich wittere ein degeneriertes Tier, wenn auch nur ein Tropfen von seinem Blut in den Adern eines Menschen fließt, und -« er biss die Zähne zusammen, »das kommt zuweilen vor.« Unfähig weiterzusprechen vor Aufregung, lief er ans Fenster, um die kriegsbegeisterten Massen unten auf der Straße zu beobachten, wie sie vor Glück taumelnd riesige bunte Banner vor sich hertrugen, auf denen all das stand, was er schon immer zu glauben meinte. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er öffnete das Fenster und breitete seine Arme dem strahlenden, aber luftigen Sommertag entgegen, dessen spröder Hauch zu ihm drang, den Duft des Heldenmutes und der fernen, mit dem Tode ringenden Feindesmacht herübertragend. Er schien den Sieg förmlich zu riechen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Wir frühstücken morgen in Paris«, schrie er überwältigt nach draußen. »Paris! Paris! Wir fahren nach Paris!« Der Krieg würde nicht lange dauern. <o:p></o:p></span></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhFOOmchbs7JVjMg_2mXMIwJNWUu0IU2MugJY9o1Gtks82MXyqAgIeQcLse2-eaWOEnEREMZCj5v4y56CEtmB7CfyNeK-yZrgaiyNtt3EQjSkejasTJVzm_TfsAFtKQCLqdnGrh84zYxno/s1600/Plumpsklo3.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhFOOmchbs7JVjMg_2mXMIwJNWUu0IU2MugJY9o1Gtks82MXyqAgIeQcLse2-eaWOEnEREMZCj5v4y56CEtmB7CfyNeK-yZrgaiyNtt3EQjSkejasTJVzm_TfsAFtKQCLqdnGrh84zYxno/s320/Plumpsklo3.jpg" width="320" /></a></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Nach mehr als dreizehn Monaten witterte er ihn nicht mehr, diesen betörenden Duft des Sieges. Stattdessen roch er den Gestank der im Niemandsland verwesenden Leichen, vor allem aber den strengen Geruch von Pisse und menschlichen Exkrementen, der hinter dem befestigten Schützengraben zwischen den dicken Wurzeln und den buschigen Stämmen der Eiben aufstieg, dort wo die Feldlatrinen waren, die man so eingerichtet hatte, dass eine große Anzahl von Mannschaften in den Gefechtspausen nebeneinander hocken konnten. Da keine Trennwände vorhanden waren, wurde hier der Geselligkeit gefrönt und alles be- und zerredet, was man je gehört hatte. So entstanden die berühmten Latrinenparolen, Gerüchte und Geschichten aus einer anderen Welt. Am meisten hatten es ihm die Aphorismen angetan, die zum Besten gegeben wurden, während man die Lageberichte herumreichte,</span><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px;"> die man als Toilettenpapier benutzte. Ein Spruch würde er nie vergessen: Das Schöne ist nur des Schrecklichen Anfang.</span></div>
Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-11848351410118638172012-10-07T08:06:00.000+02:002012-10-07T09:43:52.165+02:00Drei Minuten - höchstens<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px;">Christoph sah sie an, wie er sie immer ansah, wenn er sie wollte, und zog sie an sich. Seine Hände befühlten ihre Gesicht, ihren Hals, ihre Kehle, während sie, ohne sich aufzurichten, ihren Büstenhalter öffnete.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Was war sie in diesem Augenblick für ihn? Seine Frau? Seine Hure? Er brauchte sie, das spürte sie. Auf diese Weise ließ er den Tod hinter sich, vielleicht auch seine Dummheit. </span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er kam zu ihr, ohne ein Wort, und seine vermeintlichen Zärtlichkeiten, die sich lediglich auf den Bereich um ihre Brustwarzen beschränkten, forderten etwas. Doch was? <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie ließ ihr neues, kurzes Kleid allmählich hinabgleiten, ohne sich aufzurichten - eine peristaltische Bewegung, als ob sich ihre Körperteile nacheinander zusammenzögen -, und spreizte bereitwillig ihre Beine, als sie spürte, dass sein steifes Glied hartnäckig versuchte, in sie einzudringen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Während er sie fickte, so bezeichnete er das, was er gerade tat, dachte sie an Julian, der dieses Wort niemals in den Mund nehmen würde. Julian sprach immer davon, dass er sie im Fleische erkannte. - Sich im Fleisch zu erkennen, eine etwas seltsame Bezeichnung für das ewige Spiel. Aber es war ein anderes Spiel, das sie mit ihm spielte, ein vielfältiges, zärtliches. Das eigentlich Seltsame daran war, dass diese Worte das Spiel veränderten. </span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgirL1IHYVazMfZWZcLTDCwRt8zSt8Hix3L5nWv6e4jkA-tnZQus6GiEvO-5xya2NJNuFIRUCQC73LzQO1s2O6i5szFpWV112j3g3HBJKQQ5SCRI0fBbq7It-HObxepQ4nW3PkTFmRs5Go/s1600/zusammengekru%25CC%2588mmte+Frau+-+drei+Minuten+ho%25CC%2588chstens.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgirL1IHYVazMfZWZcLTDCwRt8zSt8Hix3L5nWv6e4jkA-tnZQus6GiEvO-5xya2NJNuFIRUCQC73LzQO1s2O6i5szFpWV112j3g3HBJKQQ5SCRI0fBbq7It-HObxepQ4nW3PkTFmRs5Go/s400/zusammengekru%25CC%2588mmte+Frau+-+drei+Minuten+ho%25CC%2588chstens.jpg" width="297" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie spürte noch immer Julians weiche Zunge in ihrem Mund, ein Gefühl, etwas Besonderes, nein, sich selbst zu sein. In ihren Gedanken ließ sie sich von ihm umfangen, sich suchen, ihre Haut wieder und wieder entdecken, ihren Bauch, ihr Scham. Auf einmal konnte sie kaum noch atmen und keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr Herz raste, als wollte es zerspringen, sie bekam kaum Luft. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich liebe dich. Ich liebe dich«, flüsterte Christoph. Das war die Geschichte, die er ihr immer wieder erzählte, vom Stöhnen unterbrochen, als sei es eine schwer zu tragende Last: »Ich liebe dich.« <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Es endete, wie es begonnen hatte. Sie spürte, dass er kurz vor dem Höhepunkt war. Sie musste hier unbedingt haltmachen. Noch ein Schritt weiter und es gäbe kein Zurück mehr. Doch sie wies ihn nicht zurück und wartet mit angespanntem Körper, klanglos seufzend, darauf, dass er endlich kam. Es dauerte immer drei Minuten, höchstens. </span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sein Rausch war verflogen, und sie fühlte, wie sein Glied erschlaffte, sich entzog, sich verkleinerte, als schämte es sich für den ganzen Mann. Vielleicht auch über sie?</span></div>
Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-52257492834008085432012-08-31T08:36:00.000+02:002012-08-31T18:21:16.008+02:00Selbstbefleckung<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg72UUKa1xQC3u2M1phP95cA0BorV04kemCzq87EbpEBeUbN_n4k0PUSyGEAwUC6eNYLZU1ilCTZnBwTrBhvhtu2-pjGpgoeNlttJQOIi1gpY61Y_zja1qblLeM191dnW-gvLsGsghKgwI/s1600/Radfahrerinnen-im-Atelier-sepia.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg72UUKa1xQC3u2M1phP95cA0BorV04kemCzq87EbpEBeUbN_n4k0PUSyGEAwUC6eNYLZU1ilCTZnBwTrBhvhtu2-pjGpgoeNlttJQOIi1gpY61Y_zja1qblLeM191dnW-gvLsGsghKgwI/s400/Radfahrerinnen-im-Atelier-sepia.jpg" width="267" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Ihre Todfeinde waren die Lohnkutscher, und es schien, als ob sie im Rad ihren Untergang witterten. Hohnlachend fuhren sie direkt in die drei radelnden Frauen hinein, so dass meist eine von ihnen im Straßengraben landete, sehr zum Leidwesen der braven Kühe, die an der Straße oder am Feldweg grasten. Oder sie schlugen mit der Peitsche nach ihnen und trafen leider oft genug. Die Kinder hatten, von den Großen angestiftet, ganze Batterien von Lehmklumpen und Schmutzlappen aufgehäuft, um sie damit möglichst gründlich zu bombardieren. Auch die Hunde verfolgten sie bis zum Ende des Dorfes, von boshaften Menschen gehetzt, und schnappten so lange nach ihren Waden, bis sie von den Speichen der Räder oder von der Peitsche, die eine der drei Frauen vorsorglich in ihre Manteltasche gesteckt hatte, eines Besseren belehrt wurden. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Aber das war für Maria noch lange nicht das Schlimmste. Eine Frau auf dem Rad! - Grinsend standen sie da in Stadt und Land, sahen ihr nach, und überschütteten sie mit höhnischen Redensarten, gemeinen Schimpfworten, wenn nicht noch Schlimmerem, das sie trotz ihres Alters vor Scham erröten ließ. Ihre Verwandten sagten ihr die Fehde an, wenn sie das Radfahren nicht ließe. Selbst ihr Mann enthielt sich nicht beleidigender Reden, besonders hinsichtlich der Selbstbefleckung. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Es kann keinem Zweifel unterliegen«, sagte er von Medizinalrat Röver belehrt, »dass kaum eine Gelegenheit zu vielfacher und unauffälliger Masturbation so geeignet ist, wie sie sich beim Radfahren darbietet. Wenn man ganz absieht von denjenigen Fällen, in denen der Sattel in ganz besonderer Absicht mit einem nach oben gekrümmten Vorderteil versehen wird, so bietet auch sonst der Sitz rittlings mit ausgespreizten Schenkeln und vornübergeneigter Haltung, ausreichend Möglichkeit, solchem Hange nachzugeben. Sieh dir doch die radelnden Mädchen an! Sie sind zuweilen schon äußerlich in ihrem ganzen Auftreten auffällig: blass, mit müdem Gesichtsausdruck, dunkel umrandeten, matten Augen, träge in ihren Bewegungen, lieben sie es recht lange im Bett zu bleiben.« <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Maria verzichtet auf den Verkehr mit ihm und blieb ihrem Rad treu. All dieser Ärger und schließlich der Umstand, dass sie durch Einspänner wiederholt in Lebensgefahr geriet, was sie niemandem erzählen durfte, ohne einen ganzen Sprichwörterschatz, wie ›Wenn dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis‹, gegen sich mobil zu machen, hätte sie vielleicht doch bewogen, das Radfahren aufzugeben, wenn nicht ihr Vater sechs Meilen von Bonn krank gelegen hätte. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"> Er war immer sehr erfreut darüber, wenn sie auf dem Fahrrad heranrauschte, und einmal ließ er sich sogar ans Fenster tragen, um sie auf dem Rad zu sehen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;">
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Lass die dummen Menschen reden«, sagte er, »und harre aus! Das Ding hat eine große Zukunft.«<o:p></o:p></span></div>
Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-40810331329521666112012-03-13T00:13:00.004+01:002012-03-15T17:04:52.854+01:00Pressekonferenz<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Ungeduldig blickte Stefanie auf ihre Uhr. Wann begann nun endlich diese beschissene Pressekonferenz, wozu man sie jetzt, kurz vor ihrem Urlaub, verdonnert hatte, weil Dr. Schöneberg mal wieder eine Schnupfnase hatte, mit der er sich unmöglich vor den Kameras hatte zeigen wollen? Dieser eitle Fatzke! Wozu gab es denn Schminke? Außerdem war sein Platz ja eigentlich nicht davor, sondern dahinter! Aber bei den eigenartigen Fragen, die er manchmal stellte, wusste man nie, ob sich die Kamera eines Kollegen nicht doch auf seinem Gesicht verirren sollte.</span><br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEigxlkbtmkD4xZlOf6ybnPcO6vpeg954iRh_XTzZsaBVlyXD4LAZUqJ_IeUqIl_WHBP5NlClTPagPQ0aCXZJV_vVeI3MQ5u6m2RNA3pBxUi6XWJOSbTNUXrcIZZErAmN4DdmTgIe4TyO7w/s1600/Blitzlichtgewitter+-+Aufmerksamkeit.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEigxlkbtmkD4xZlOf6ybnPcO6vpeg954iRh_XTzZsaBVlyXD4LAZUqJ_IeUqIl_WHBP5NlClTPagPQ0aCXZJV_vVeI3MQ5u6m2RNA3pBxUi6XWJOSbTNUXrcIZZErAmN4DdmTgIe4TyO7w/s1600/Blitzlichtgewitter+-+Aufmerksamkeit.jpg" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie überlegte, wie viel Zeit ihr bliebe, um einen einigermaßen annehmbaren Artikel schreiben zu können. Der Flieger ging um neun. Davor musste sie sich noch duschen, umziehen, noch ein paar Sachen einpacken, einchecken... Wenn die Pressekonferenz in ein paar Minuten anfing und wie immer etwa eine halbe Stunde dauerte, dann hätte sie vier Stunden Zeit. Ach, sie musste ja noch Ben anrufen, damit er sich von seinem Computer loseiste. Fünf Minuten dürften für ein Telefonat reichen. Der gute Ben! Wenn er überhaupt so lange telefonieren konnte. Er machte sich vor Aufregung sicher in die Hose: sie mit ihm zwei Wochen auf Sizilien. Wie lange lief er schon hinter ihr her? Drei oder vier Jahre? Oder noch länger? Eigentlich sollte man mit so einem nicht in den Urlaub fahren! Das gab nur Probleme. Außerdem war er ein Programmierer. Gab es etwas Langweiligeres? - Aber mit wem hätte denn sonst fahren sollen? <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Der Minister und seine Pressesprecherin betraten den Saal. Es war schon eine Weile her, dass sie einen Politiker aus nächster Nähe gesehen hatte, ihr war das Huschen der Augen entfallen, die rastlose Ausschau nach neuen Zuhörern oder Abweichlern, nach der Nähe einer Persönlichkeit von höherem Rang oder einer wichtigen Gelegenheit, die womöglich ungenutzt verstrich. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Der Typ legt die Frauen reihenweise flach, hatte sie gehört. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Naja, er sah nicht schlecht aus. Das musste sie zugeben. Und er hatte noch nicht einmal so viel Zucht und Ehre im Leib, wie eine Mücke auf dem Schwanz wegführen konnte. Was ihr ebenfalls nicht missfiel. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Herr Minister«, sagte ihr Kollege vom Stern. »Es heißt, es gebe Kommunikationsprobleme zwischen Ihnen und der Kanzlerin. Können Sie das bestätigen?« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Der Minister lächelte. »Nein«, sagte er lapidar. Er machte eine kleine Pause. Ihr kam es vor, als ob er ihr auf die Brüste blickte. »Außerdem: Was heißt schon Kommunikation. Noch niemals ist soviel von Kommunikation geschwätzt worden wie heute angesichts all dieser Bemühungen, die Einsamkeit zu verwalten und zu organisieren.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er war schlagfertig und eloquent, dass musste man ihm lassen. Sie hob den Finger, und dachte dabei an ihre Schulzeit. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ja bitte, Frau...« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Frau Dr. Reiss«, ergänzte die Sprecherin, »vom Spiegel.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Herr Minister«, sagte Stefanie und funkelte ihn herausfordernd an, »warum haben Sie gelogen, als sie vor zwei Monaten erklärten, dass Sie noch nie etwas mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der RWE zu tun gehabt hätten?« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich will Ihre Frage mal philosophisch beantworten«, sagte er halb stichelnd, halb schelmisch, scheinbar in dem Wunsch, nicht gleich mit seinem Gedanken herausplatzen zu müssen. »Die Menschen wollen belogen werden.« Er lächelte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ach«, sagte sie. »Das ist mir aber neu!« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Tatsächlich?« Er sah sie eine Weile forschend an, schweigend, nachdenklich, als suchte er nach einem richtigen Wort für das, was er sagen wollte. Plötzlich lockerte er seine Krawatte und lehnte sich zurück. »Die Wahrheit ist immer verwickelt«, sagte er, »in allem und vorab in gesellschaftlichen Dingen. Der Wähler begreift aber keine verwickelten Ideen. Man darf ihm nur einfache Ideen, vage Allgemeinplätze vorsetzen, Lügen also, die vielleicht von Wahrheiten herstammen können. Die Welt leitete sich durch Lügen. - Wie glauben Sie, habe ich es so schnell bis ins Bundeskabinett geschafft? – Wer die Welt führen will, muss sie bis zum Delirium belügen und er wird es umso erfolgreicher tun, je mehr er sich selbst belügt und von der Wahrheit der Lüge durchdrungen ist, die er schuf.« Er machte eine Pause. »Ist Ihnen das als Antwort genug?«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie nickte. Sie war förmlich überrascht, dass sie nichts mehr sagen konnte. Es wurde Zeit, dass dieses Spektakel hier zu Ende war, damit ihr Urlaub beginnen konnte. Sie dachte wieder an Ben. Wenn sie sich anstrengte, wenn sie ein paar Tage lang nicht mehr an ihre Arbeit dachte, brachte sie es vielleicht doch noch fertig, sich in Ben zu verlieben. Er war ein guter Kerl, aufrichtig, wenn auch ein bisschen einfältig, eine treue Seele eben. Er hatte keine Ahnung, wie es in den Medien zuging. Dass auch sie und gerade sie mit der Lüge umgingen wie die Hardware mit der Software. Ben würde immer zu ihr halten. Bei dem Gedanken überkam sie plötzlich eine tiefe Zuneigung zu sich selbst, als sei sie ein Mensch, den man lieben könnte, und sie spürte, wie ihr eine Träne über den Wangenknochen kullerte. <o:p></o:p></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-79945703696641676662012-03-08T00:21:00.001+01:002012-03-09T14:49:02.693+01:00Ein überflüssiges Telefonat<div style="text-align: justify;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Endlich erwachte er, umgeben von den friedlichen Geräuschen des Morgens – der Radiowecker neben dem Bett, wo man gerade eine leise Sonate von Scarlatti spielte, Vogelgezwitscher draußen im Park, das leise Knarren der Kleiderschranktür. Er schob die Bettdecke weg, blieb nackt auf dem Rücken liegen und spürte, wie die leichte Brise, die vom Strand her wehte, den Schweiß auf seiner Brust trocknete. Er dachte daran, wie er gleich den Kaufvertrag für das große, schön gelbe Haus über dem Strand mit dem Blick auf den Ätna und Taormina unterzeichnen würde. Er streckte sich und gähnte. Bis dahin waren es nur noch achtundvierzig Minuten, genug Zeit, um sich zu rasieren und zu duschen. Sein nackter, gebräunter Körper auf dem Laken und der Anblick seiner Erektion ließen ihn an Marcella denken. Er blickte auf die Uhr und überlegte, ob er masturbieren sollte, ob es nützlich wäre, für die anstehende Aufgabe einen klaren Kopf zu haben. Versonnen nahm er seinen Penis in die Hand und fuhr damit ein paar Mal hoch und runter. Er kam sich dabei lächerlich vor und ließ es bleiben. Ob er jetzt seine Frau anrufen sollte? Er betrachtete das Telefon, das auf dem Tischchen neben der bunten Holzkatze stand. Dann fasste er sich ein Herz. Sein Finger betätigte ganz sanft die Wählscheibe. Die Geräusche, die sie machte, erinnerten ihn an das muffige Büro seines Großvaters, an die vielen Stempel auf dem Schreibtisch und die Ärmelschoner, die unbenutzt neben dem kristallenen Briefbeschwerer lagen.</span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Hallo«, hörte er sie plötzlich am Ende der Leitung sagen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Guten Morgen, mein Schatz!«, sagte er und spürte, wie sein Penis schrumpfte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Guten Morgen, Viktor«, sagte sie. Ihre Stimme klang abgekühlt. »Schön, dass du anrufst.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Bist du mir nicht mehr böse?«<o:p></o:p></span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhJAmjlIEMbJjOfqYU87S3kxJOOOTpNLkTKIM3RgDhoqsOprhbIiYl9CVH-JZB2SqJ4No5Ke_4YLc8cgY0GWd99DeDyLiYHulZIBOsKg9lPqeV2PlAkkKCDNJcL7NsQtvI1kkSsycvHWqU/s1600/Telefon+mit+Wa%CC%88hlscheibe.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhJAmjlIEMbJjOfqYU87S3kxJOOOTpNLkTKIM3RgDhoqsOprhbIiYl9CVH-JZB2SqJ4No5Ke_4YLc8cgY0GWd99DeDyLiYHulZIBOsKg9lPqeV2PlAkkKCDNJcL7NsQtvI1kkSsycvHWqU/s400/Telefon+mit+Wa%CC%88hlscheibe.jpg" width="400" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Nein. Woher denn? Du weißt ja... vor meinen Tagen bin ich immer etwas gereizt. Und du... du hast so viel um die Ohren. Überhaupt: Was macht denn der Hauskauf.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er erzählte ihr, dass er gleich den Vertrag unterschreiben würde und drückte sein Bedauern aus, dass sie nicht mitgefahren war. »Wo es doch um unsere Zukunft in der Sonne geht, Andrea!«, sagte er. In diesem Moment musste er wieder an Marcella denken. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Das Gespräch wandte sich anderen Themen zu. Natürlich berichtete er ihr und sie ihm, wie die letzen Tagen nach dem Streit verlaufen waren. Andrea erzählt ihm, sie habe die Nächte durchgearbeitet und habe fast alle Abitursarbeiten korrigiert. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Bis auf diese eine«, sagte sie. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ach ja«, sagte er. »Und wie sind sie ausgefallen? – Sicher macht dir dieser Abitursjahrgang wieder alle Ehre. Oder?«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was ich damit machen soll.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">An dieser Stelle hörte er den Piepton seines Handys. Zwei-, dreimal, dann verstummte er. Vermutlich Marcella. Jetzt würde er sie bis heute Abend nicht mehr sprechen können. Er saß nackt auf der Bettkante und griff nach seiner Armbanduhr, um sie mit dem Wecker zu vergleichen. Andrea war ihm nicht mehr böse, darüber brauchte er sich also keine Sorgen zu machen, aber jetzt musste er los. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Sie ist von diesem Schüler, der mich geküsst hat. Kannst du dich noch daran erinnern? Er hat einfach mein Gesicht in seine Hände genommen...«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Mmm«, wiederholte er etwa alle zehn Sekunden, um zu dokumentieren, dass er ihr zuhörte. Er hatte die Schnur des Telefons so weit gedehnt, wie es irgend ging, balancierte auf einem Fuß und angelte mit dem anderen nach frischer Unterwäsche, die auf einem Stapel lag. Zum Duschen hatte er keine Zeit mehr. Zur Nassrasur auch nicht. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Die Arbeit ist ein einziger Liebesbrief. In einem Satz erwähnt er sogar meinen Namen. Augenfälliger geht es gar nicht mehr.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er hatte den Hörer zwischen Kopf und Schulter geklemmt und versuchte, ein Hemd aus seiner Cellophanverpackung herauszulösen, ohne Lärm zu machen. Geschah es aus Langeweile oder aus Sadismus, dass die Leute in der Hotelwäscherei unbedingt jeden einzelnen Knopf zuknöpfen mussten? <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Gestern Vormittag stand er dann vor der Haustür. Mit einem Blumenstrauß. Er sah wirklich süß aus. Wie du damals. Er ist mir nicht mehr von der Seite gewichen. Er hat hier sogar über...« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er war schon halb in seine Hose gestiegen, als es wieder klingelte. »Mit einem Blumenstrauß«, wiederholte er und schielte auf das Display seines Handys. Es war Marcella. »So viel Dankbarkeit hätte ich von einem Abiturienten aber nicht erwartet. Die Schüler müssen dich sehr mögen. - Aber Andrea, ich komme zu spät zur Vertragsunterzeichnung. Muss losdüsen. Wie wär’s, wenn wir heute Abend noch einmal telefonieren? Dann habe ich mehr Zeit.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Oh. Dann ist es vielleicht schon zu spät.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er griff zum Handy. »Nein, es wird nicht spät.«<o:p></o:p></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-17985582448380648262012-03-06T11:34:00.000+01:002012-03-06T11:34:31.718+01:00Talkshow<!--StartFragment--> <br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px;">Flöter holte sich ein Bier und schaltete den Fernsehapparat an.</span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Herr Dr. Fadenschein«, sagte der Moderator die Hände auf den Tisch gestützt, »mit dem Pulitzer-, dem Rainer-Maria-Rilke-, dem Georg-Büchner- und dem Deutschen Buchhandelspreis, um nur einige zu nennen, sind Sie der – Ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll? – mithin am höchsten ausgezeichnete deutsche Autor.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Dr. Fadenschein grinste unter seinem Hut in die Kamera. Ganz oben in der Ecke war noch ein Stück vom Richtmikrofon zu sehen, nicht viel, aber Flöter sah es ganz genau, so wie er immer alles ganz genau sah.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span><o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»In ihrem neuen Roman«, fuhr der Moderator fort, »spielt die Figur des Henri Kleber, ein kleinbürgerlicher Voyeur, der den nächtlichen Strand von Perpignan nach kopulierenden Paaren absucht eine exzeptionelle, ja man könnte sogar sagen <b>die</b></span><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"> handlungstragende Rolle.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Dr. Fadenschein nickte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhGwMulNVar4f_VMH3JgbrF8aVx_EE5pcYiOvwjwq1UhfNPMDuFM7ZNlgM6pfAt3GycIpz_X6wAF8Tf1jPula3RRgIieXDs-TwDgf1hFmf3-iILv-cvGrZnZvRSqL68AkrwYZFwQltlGpc/s1600/Talkshow.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhGwMulNVar4f_VMH3JgbrF8aVx_EE5pcYiOvwjwq1UhfNPMDuFM7ZNlgM6pfAt3GycIpz_X6wAF8Tf1jPula3RRgIieXDs-TwDgf1hFmf3-iILv-cvGrZnZvRSqL68AkrwYZFwQltlGpc/s400/Talkshow.jpg" width="400" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Flöter konnte sehen, wie dessen Kinn dabei kurzzeitig zum Doppelkinn mutierte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Was interessiert Sie so sehr an dieser Figur?«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Naja«, sagte Dr. Fadenschein genüsslich und rückte ein Stück auf dem Sessel vor, sodass sein Kopf den ganzen Bildschirm ausfüllte. »Alle Künstler wollen die Menschen in einem wirklichen, echten Augenblick sehen, in dem sie einfach nur sie selbst sind.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Wie beim Sex?«, fragte der Moderator. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Ja, wie etwa beim Sex«, antwortet Dr. Fadenschein voller Gefallsucht, indem er jedes Wort in die Länge zog.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Och komm!«, sagte Flöter, obwohl ihn niemand hörte. Es war ihm einfach so herausgerutscht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span><o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dr. Fadenschein zupfte sich am Bart. »Ein Voyer ist am Sex beteiligt, - und wiederum nicht daran beteiligt. Mir fällt hier die jaspersche Subjekt-Objekt-Spaltung ein. Eine erkenntnistheoretische Grundstruktur. Auf der einen Seite steht der Erkenntnisgegenstand, das Objekt – in meinem Roman, die vögelnden Pärchen - und auf der anderen der Erkennende, das Subjekt – der Spanner.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Och komm!«, sagte Flöter wieder, während Dr. Fadenschein weitersprach, und stand auf. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Zwischen beiden besteht naturgemäß eine unaufhebbare Differenz. Durch die Beobachtung des Spanners nun wird diese Differenz zwar nicht aufgehoben, aber transzendiert. Das ist ein erkenntnistheoretischer Akt erster Güte. Ich würde sogar sagen, ein durchaus äußerst schmerzlicher existenzieller Akt, der das ganze Elend des menschlichen Daseins zum Ausdruck bringt. Daher heißt der Roman ja auch ›Ich bin nicht Du!‹ Er machte eine kleine Pause, um den Hut abzunehmen. »Diese Differenz wird in den Momenten, kurz bevor sich etwas ereignet, als besonders schmerzlich empfunden. In diesen Momenten sind alle Sinne geschärft. Die Franzosen sprechen von einem <i>chaisement</i></span><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">. Man erlebt es z. B. in Kneipen, wenn sich eine Rauferei anbahnt, wenn die Stimmung oder die elektrische Spannung sich ändert. Sex konzentriert gleichsam alle Sinne auf sich, schärft die Wahrnehmung. Und das wollen sich Künstler nicht entgehen lassen.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Flöter hatte sich mittlerweile vor dem Fernseher aufgebaut. „Du willst dir das nicht entgehen lassen“ sagte er und drehte den Ton ab.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Dr. Fadenschein lächelte süffisant. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Flöter stützte die Hände in die Hüfte. „Und wenn wir schon einmal dabei sind, kannst du mir gleich mal sagen, was ein Erzähler ist, der nur von sich selbst erzählt?“ Er machte eine Pause. »Sag schon! Und erspar mir bitte diesen selbstreferenziellen Scheiß.« Er machte wieder eine Pause. »Ich will wissen, was ein Erzähler ist, der nur von sich selbst erzählt! He, sag schon? Hallo! Da bist du nicht mehr schlagfertig. Wie? He! - Hallo! Ich kann es dir sagen. – Er ist entweder ein Neurotiker, dem die Krankenkasse keine Therapie mehr bezahlt, ein Psychopath, der noch nicht auffällig geworden ist oder ein Wichser, der sich die Finger nicht schmutzig machen will. Und jetzt rate mal, was du für einer bist...« <o:p></o:p></span></div><!--EndFragment-->Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-9627269076610440592012-03-05T07:22:00.001+01:002012-03-06T23:39:54.852+01:00Misstrauen<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Der Feind sei mitten unter ihnen, hieß es, parasitäre Elemente, die auf ihre Kosten lebten, sie ausbeuteten und an den Rand der Verzweiflung brächten. Die Gefahr ließ sich weder übersehen, noch übergehen. Immer näher rückte sie heran, saugte alle Aufmerksamkeit auf und besetzte ihr Bewusstsein. In dieser Stimmung schwand ihnen der Glaube, dass das Leben wie gewohnt weitergehen würden und sie auch morgen noch tun konnten, wozu sie heute imstande waren. Sie mussten etwas tun, nicht um das stolzeste Tempelhaus des schönen Menschtums zu errichten, sondern um sich ihrer Kraft zu versichern, allen Schmarotzer und Schädlingen trotzen zu können.</span><br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Paul war entschlossen. Man sah, dass er nicht scherzte. Niemand lachte über ihn, als er erklärte, dass er den Goldsteins, die im größten Haus am Ende des Dorfes wohnten, einen sehr schmerzhaften Denkzettel verpassen wolle. Diesen Saujuden! Er würde die Glocken läuten, sagte er, wenn es soweit sei. <o:p></o:p></span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhjOoWx-9qp6AzRX7dY1fJdMZEiznRy1fc-tPoGQXMTrarMwLKeMhwNerKeRm3X_q5Bb-wzNGzE-xMKXi3zY7j59Bpvr12fE27XJfz9FqubvpA-VjfWS3WakBbfXG9sQPmg6XdB109bQKs/s1600/Misstrauen.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhjOoWx-9qp6AzRX7dY1fJdMZEiznRy1fc-tPoGQXMTrarMwLKeMhwNerKeRm3X_q5Bb-wzNGzE-xMKXi3zY7j59Bpvr12fE27XJfz9FqubvpA-VjfWS3WakBbfXG9sQPmg6XdB109bQKs/s400/Misstrauen.jpg" width="400" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">In der Nacht zum Freitag wussten sie, dass es bald geschehen würde. Die Fenster leuchteten spät wie in der Osternacht. Die Dörfler bereitet schweigend die Äxte, Knüppel und Schaufeln vor. Zuweilen, wenn eine Schaufel klirrte, die einer berührt hatte oder irgendwo anstieß, wenn ein Brecheisen hinfiel, erschraken sie. In der Anspannung und Stille tönte oft die Luft als klängen Glocken. Pst! Ruhig! War da nicht was? Sie lauschten, und da sie ihren Ohren nicht mehr trauten, stießen sie die Fenster auf und schoben die Köpfe hinaus. Ein kalter, feiner regen ging vom Himmel nieder. Es war feucht und unfreundlich. Es schien, als nehme die Nacht kein Ende. Man sollte doch endlich das Zeichen geben, wenn es schon unvermeidlich war. Oder hatte Paul gelogen, hatte Angst bekommen, und es würde am Ende gar nichts geben? <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie kehrten in die Stuben zurück, irrten von einer Ecke zur anderen und überprüften noch einmal das bereitgestellt Gerät. Und plötzlich schallten die Glocken. Das Kupfer erschütterte den herbstlichen Nebel und ergoss sich in alle Winkel. Die Dörfler verließen die Häuser, drängten sich zusammen und beeilten sich. Endlich! Allen wurde leichter zumute. So unerwartet aus ihrem kalten Traum geweckt, dröhnten die Glocken heiser und jagten die von harter Arbeit gekrümmten, knorrigen Gestalten vorwärts. Vor der Kirche blieben sie stehen, wo Paul in seiner braunen Uniform auf sie wartete. Die Menge erstarrte und hielt den Atem an. Der Mut war ihnen für einen Moment in der Brust zusammengesunken. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Paul hob seinen rechten holzhammerfesten Arm zum Deutschen Gruß und sagte: »Los! Schlagt sie tot.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Das traf die Menge wie eine Peitsche, brachte die Beine in Bewegung und trieb sie besinnungslos voran, inmitten anderer drängender Leiber, keuchender Lungen und löste eine Kraft aus, die plötzlich aus dem Schlummer erwacht war wie ein Fluss unter der Eisdecke. Vor dem Haus der Goldsteins kamen die ersten zum Stehen, während die nachfolgenden weiterdrängten. Die Tür war verschlossen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Paul rammte sie mit der Schulter, und in der dichten Finsternis, in der man das Gesicht seines Nachbarn kaum erkennen konnte, dröhnten dumpf die Schläge, krachten trocken die Bretter. Plötzlich gab die Tür nach, und es wehte ihnen wie aus einem Abgrund entgegen. Die Leute taumelten schreiend in den finsteren Flur. Die Räume fingen das Gebrüll und trugen es durch das ganze Haus. Doch wo waren die Goldsteins? Keiner wusste es. Waren sie noch da oder bereits entflohen, schlug man ihnen schon die Köpfe ab, oder fing man sie noch ein? Ein Körper schob sich auf den anderen, und jeder spürte einen heißen, vorwärtsjagenden Atem hinter sich. Die Goldsteins waren immer noch nirgendwo zu finden. Wer hatte sie gewarnt? Warst du es Hans? Oder du, Albert? Niemand wusste es. Ein tiefes Misstrauen legte sich über sie. Sie verharrten ruhig und stumm, und in der großen Stille war ihnen, als würden sie die Schläge des verräterischen Herzens ihres Nachbarn hören. Die Zukunft glich nun vollends nicht mehr der Gegenwart und die Gegenwart nicht mehr der Vergangenheit. <o:p></o:p></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-67701595197293894452012-01-31T10:54:00.000+01:002012-01-31T10:54:33.493+01:00Die Ährenleserinnen<!--StartFragment--> <br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Sichel schwenkend sang Eva leise vor sich hin. Noch flammte die Sonne über ihr. Geblendet zog sie mit geschlossenen Augen das kurze Jäckchen aus, das ihre Schultern verhüllte. Die Sonne brannte auf ihrer Haut. Mit einem Wonnegefühl ließ sie sich von ihr sengen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Sie dachte an die Stadtmenschen, die mit ihren offenen motorisierten Kutschen über die staubigen Straßen an ihr vorübersausten, um an einer schönen großen Wiese an der Selz abzubremsen, von ihren Sitzen aufzuspringen und mit Tischen, Stühlen, Decken, Körben, Flaschen und was sonst noch alles sonnenschirmbewehrt in den Schatten zu stürzen. Diese Menschen lachten viel, obwohl sie sich vor den Gefahren der Sonne fürchteten, vor dem stechenden Gefühl auf ihrer Haut, besonders aber vor der Wetterbräune. Es hieß, die Sonne fördere den Blutandrang und ließe die Adern schwellen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Das alles konnte man in den bunten großen Blättern und Zeitungen lesen, die die Stadtmenschen unter den Bäumen liegen gelassen hatten, damit Eva sich kopfschüttelnd an den farbenprächtigen Bilder erfreuen konnte. Als ob es außerhalb des Papiers, auf das sie gebannt waren, nichts zu sehen gäbe. Eva dachte an den Blick, den man vom Hahnheimerknopf auf den Donnersberg haben konnte, oder vom Hasenberg, einer kleinen Anhöhe hinter dem Dorf, auf Frankfurt, das zu Fuß immerhin mehr als eine Tagesreise entfernt war. Wozu brauchte sie die Bilder aus der großen weiten Welt? Lesen konnten sie nicht. Sie war nie zur Schule gegangen. Warum auch? Sie trug die Sonnenglut der Erde in ihrem Herzen, und in den Falten ihres Kleides die Düfte der reifen Ähren. Das reichte vollkommen aus, um ein gutes, um ein schönes Leben zu leben. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhYtY7kb2DgoYQA4nIs7E7JaWb9TySrhNnqVs7FA2j8duaM36ForSyWDDTlZmLgcbZTJ0MGTO-bQg5bHKCDIMYJ0glgM_ENkWzd1_8AWSASR2rP0ikbB24CCU3mYyDEuCxtYY2iGxYSvHc/s1600/Mohnfeld.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhYtY7kb2DgoYQA4nIs7E7JaWb9TySrhNnqVs7FA2j8duaM36ForSyWDDTlZmLgcbZTJ0MGTO-bQg5bHKCDIMYJ0glgM_ENkWzd1_8AWSASR2rP0ikbB24CCU3mYyDEuCxtYY2iGxYSvHc/s400/Mohnfeld.jpg" width="400" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Sie beschleunigte ihre Schritte, als sie den Kirchturm hinter dem Mohnfeld in der Ferne sah und spürte den weichen Staub der Straße unter ihren Füßen und den schweißnassen Saum ihre Kleides am Hals. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Als sie am Feldkreuz vorbeikam, stand plötzlich die kleine Agnes vor ihr, kräftig, sonnenverbrannt, mit feinem Flaum an Armen und Beinen, wie eine goldene Biene. Ihre Augen waren niedergeschlagen, und sie bemühte sich, einen Halm mit den bloßen Zehen zu fassen. Wie Eva hielt auch sie eine Sichel in ihrer Hand.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Hast auf mich gewartet, - ne?«, fragte Eva. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Agnes nickte. Sie sprach nur, wenn es nötig war. Sie liebte das Schweigen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Sie gingen eine Weile nebeneinander her, schweigend und die Sicheln schwenkend. Der Kirchturm wuchs und wuchs.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span><o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Gräm dich nicht«, sagte Eva, als sie die ersten Hunde des Dorfes bellen hörte. »Du musst ihn vergessen. Auch wenn er dir gut war.« Sie hielt einen Moment inne, um sich das Kopftuch aufzusetzen. »Dabei weiß ich gar nicht«, fuhr sie fort, »ob er gut aus Dummheit oder dumm aus Güte war?«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Agnes nickte, was so viel bedeutete wie: Ich weiß auch nicht. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Zum Glück hat er dich mit keinem kein Kind sitzen lassen, wie mich damals der Hans.« Sie machte wieder eine Pause, pflückte sich eine Kirsche, die ihr von einem Baum entgegenlachte, - der Arm zitterte noch von der Anstrengung des langen Tages - und steckte sie schmatzend in den Mund. »Du musst ihn vergessen. Der Mensch, der nichts vergessen kann, wird mit nichts fertig, auch nicht mit seinem Leben.« Sie spuckte den Kirschkern in den Straßengraben. »Ich denk da an die Pest. Alle, die sich daran erinnern, werden fortgeweht wie Sägemehl im Wind. Ihre Grübeleien machen sie wahnsinnig, ihre Erinnerungen machen sie wahnsinnig. Nur die, die vergessen können, haben ein langes Leben vor sich, und die, die ein gutes Gedächtnis haben, sterben.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Agnes nickte wieder, was dieses Mal so viel bedeutete wie: Ich verstehe. <o:p></o:p></span></div><!--EndFragment-->Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-15412333730465415402012-01-18T22:52:00.003+01:002012-01-19T09:10:10.540+01:00Im Flimmern der Geschwindigkeit<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Mathilda hatte schon so viel von der Eisenbahn gehört. Jetzt stand sie vor ihr, groß und dampfend wie ein riesiger Lindwurm aus Stahl und Eisen, dessen schwarzes Maul sie bald verschlingen würde, wie all die anderen Passagiere, die duldsam auf dem Bahnsteig standen. Nur, - wann war es so weit? Bis das Pfeifen aufhörte? Würde man sie an der Hand nehmen und die kleine Treppe vor jedem einzelnen Wagen hinaufführen, - „Wagon“ hieß es, wenn sie sich recht besann? Ihr vielleicht sogar den Mantel abnehmen, wie bei einem festlichen Ball? Sie beobachtet die anderen Passagiere, die sicher schon erfahren waren, was die Eisenbahnreise anbelangte. Sie gab auf alles Acht, nur nicht auf die riesige Dampflok, die ihr Angst bereitete. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Bitte einsteigen!«, rief ein Mann in Uniform mit einem Schild in der Hand. »Alles einsteigen.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh_3-alsKb-PiuV8z9fEju9U-qAzWGro9dVjlMXz4bHJWucxgCrgf3lJu4yhY-Ywh1XhTiQeELOw2DA-n77Gu4-P6TL9eGHEGb0iP8_kIloPpLiYWkpjJPg5VaNaXgxrcHEcC7_a6tsl6U/s1600/deded690322a11e180c9123138016265_7.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh_3-alsKb-PiuV8z9fEju9U-qAzWGro9dVjlMXz4bHJWucxgCrgf3lJu4yhY-Ywh1XhTiQeELOw2DA-n77Gu4-P6TL9eGHEGb0iP8_kIloPpLiYWkpjJPg5VaNaXgxrcHEcC7_a6tsl6U/s1600/deded690322a11e180c9123138016265_7.jpg" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Und schon setzte sich die Menge in Bewegung, auch Mathilda. Sie ging einfach mit. Sie stieg die Treppe hinauf, folgte ihrem Vordermann und setzt sich direkt neben ihn. Als das Pfeifen draußen lauter wurde, schloss sie die Augen. Es ruckelte. Ihr Oberkörper schnellte vor und zurück. Es war wie bei ihrem Einspänner zu Hause, wenn Karl in hoher Fahrt anhalten musste, weil ein spielendes Kind über den Weg lief. »Brrrrr!« Wie oft hatte sie sich so an der Rückenlehne gestoßen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Misstrauisch warf sie einen Blick aus dem Fenster. Sie sah Menschen, die winkten. Manche weinten, andere lachten. Dann Häuser. Sie schloss die Augen. Ein zweites Mal. Sie würde sie auch nicht mehr öffnen, bis sie in Darmstadt angekommen war. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Ein Kind schrie ein paar Sitze hinter ihr, was ihr Unbehagen steigerte. Sie konnte beim besten Willen nicht ausmachen, ob es aus Freude oder Angst geschah. Ihr wurde plötzlich schwindlig. Sie musste die Augen öffnen und war überrascht, dass die Landschaft so langsam an ihr vorüberzog. Alles schien stillzustehen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">„Möchten sie sich ans Fenster setzen, gnädige Frau?“, fragte ihr Nachbar freundlich. Er trug einen lustig gezwirbelten Bart in seinem Gesicht. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie nickte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er stand auf, drehte sich zu ihr, und lüpfte kurz seinen Hut, um sie dann mit einer einfachen Handbewegung zum Aufrutschen aufzufordern. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">„Danke“, sagte sie. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Jetzt war alles anders, als sie aus dem Fenster blickte. Hatte der Zug etwa seine Geschwindigkeit erhöht? Die Schnelligkeit war unerhört. Aber, nein. Wie konnte sie denn so einfältig sein? Die Ferne rückte nach wie vor nur sehr langsam hinweg. Es war nur die Nähe, die verschwamm. Die Blumen am Wege waren keine Blumen mehr, sondern Flecken oder eher noch rote und weiße Striche; auch die Bäume nahe der Schienen, die Brücken, die der Zug überquerte, wurden allesamt zu Strichen, zu Geraden, die endlos weiterliefen und für Mathilda die Begradigung widerspiegelten, die die Landschaft, ja die Welt durch die Eisenbahn erfuhr. Die Eisenbahn legte ihrem Auge gleichsam eine Uniform an, die alles zu einem Strich herabminderte: die Kühe, die Schafe, selbst die Menschen, an denen der Zug nahe genug vorbeirauschte. Und wenn sie lange genug aus dem Fenster sah, so verwandelten sich auch die Dinge in der Ferne, die Berge, die Wälder, die Dörfer in endlose Striche, bis sie gegen den Horizont entschwanden, der selbst ein Strich war. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Das alles konnte auf das Leben und das Denken nicht ohne Einfluss bleiben. Denn im Flimmern der Geschwindigkeit lösten sich nicht nur die Dinge auf, sondern auch der Zusammenhang zwischen den Dingen; auch ihre Bedeutung schob sich ineinander und verlöschte. Man hatte keine Anhaltspunkte mehr außer sich selbst. Ja, mehr noch: Die Eisenbahn tötete den Raum. Es blieb nur noch die Zeit übrig. Sie hatte Angst. Wie sollte das alles enden? Es war ihr, als kämen die Berge und Wälder auf sie zugerückt, um für immer zu verschwinden. Sie roch schon den Duft der Zypressen, vor ihr brandete das Mittelmeer. Es würde nur kurz sein.<o:p></o:p></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-35251371068249208142012-01-12T12:42:00.001+01:002012-01-12T13:10:08.200+01:00Kleinvieh<div style="text-align: justify;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Halbnackt lag sie in seinen Armen und drehte sich langsam mit ihm im Takt. Dort, wo sie hintanzten, machte die Menge respektvoll Platz. Er war glücklich, denn sie war jetzt seine Frau, und mit ihr kam ein Vermögen in seinen Besitz, das er sich nie zu erträumen gehofft hatte. Bis ans Ende seiner Tage würde er in Saus und Braus leben können. Er würde sich von keiner mehr aushalten und keine mehr heiraten müssen. Woher ihr Reichtum kam, hatte er nie gefragt. Er wusste nur, dass sie ihn nicht ererbt, sondern sich erarbeitet hatte. Aber wie? Sie war ein gutmütiger Mensch, einer jener sonderbaren ruhelosen Charaktere, die nicht imstande waren, eine Ungerechtigkeit gelassen hinzunehmen, ja sie konnte noch nicht einmal das ertragen, was ihr als solche erschien. Wie hätte sie dann Geschäfte machen können, die ihr anderen gegenüber einen finanziellen Vorteil verschafft hatten? Gewiss manchmal forderte sie von anderen die zarteste Rücksicht, während sie selbst schroff und unduldsam war. Aber das hatte nichts mit ihrem Geld zu tun. Es war eine Laune der Natur und entsprach nicht ihrem Wesen. Er wüsste mit diesen Grillen fertig zu werden.</span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Vom Meer wehte ein köstlicher lauer Wind, und der Anblick des halb grauen, halb rötlichen Himmels, der sich über ihnen auftat, würde in Wien sicher rätselhaft sein. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgXhUL1I8imj2VW0VFRNQFLPqfpZJ7UqCgXNRXU6zo0I7SpjQ6KpMAy79yoZV52ejSHogCIebX_42UklrSPJaaQGQeSeqU6fAAqfgf-k_UZquL0mhZ7x5OYLOYNkYzyIGs_-NEf0izbBsM/s1600/Fliege.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgXhUL1I8imj2VW0VFRNQFLPqfpZJ7UqCgXNRXU6zo0I7SpjQ6KpMAy79yoZV52ejSHogCIebX_42UklrSPJaaQGQeSeqU6fAAqfgf-k_UZquL0mhZ7x5OYLOYNkYzyIGs_-NEf0izbBsM/s320/Fliege.jpg" width="320" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Wenn einer nicht genug Grütze im Kopf hat«, sagte sie plötzlich und blickte ihn mit ihren absinthgrünen Augen an, »dann ist es sein eigener Schaden.« Sie riss sich von ihm los, streckte die Arme in die Luft und begann sich ganz entgegen der Musik konvulsivisch hin und her zu wiegen, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Ich weiß, wer und auch was du bist«, sagte sie langsam, indem sie jedes einzelne Wort betonte und bewegte sich um ihn herum. »Du bist nicht der, für den du dich ausgibst. Du bist ein Heiratsschwindler, ein Betrüger. Du hast geglaubt, du könntest ab heute wie eine Made im Speck leben!« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sein verblüffter Blick folgte ihr und ließ ihn, sich um seine eigene Achse drehen. Es war ihm, als ob ein Engel plötzlich Zoten sang und sich in hysterischen Krämpfen wand. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Du hast dich getäuscht. Ich bin genauso wenig vermögend wie du.« Sie machte eine Pause und fuhr ihm, während sie sich weiter um ihn drehte, mit dem Handrücken über Gesicht und Hinterkopf. »Aber vielleicht werde ich es noch.« Sie lachte. »Mit deiner Hilfe.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er wollte etwas entgegnen, war aber so verwirrt, dass er kein Wort herausbrachte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich bin eine Mätresse, eine Hure. Und du - » Sie machte eine Pause. »Du bist jetzt mein Lude.« Sie lachte. »Man muss sich in dieser Welt zu schicken wissen. Ich gehören nicht zu denen, die eine Königin übertrumpfen wollen, indem sie ihre Tür bloß den Reichen und Mächtigen öffnet. Es gibt keinen größeren Berg als den, den man mit, › Wenig und Oft‹ aufbaut. Dumme Hühner sind diejenigen, die sagen: ›Ein Ochse macht auf einmal so einen Haufen wie tausend Fliegen zusammen.‹ Denn es gibt so viel mehr Fliegen als Ochsen. Auf einen großen Herren kommen zwanzig, die dich mit Versprechungen zahlen, aber tausende von denen, die keine großen Herren sind, füllen dir die Hände. Ich weiß ganz gut, welche schönen Batzen Schenkwirte, Theriakshändler, Scherer, Barbiere und Bauern vertun.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><br />
</div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-36301635655980644412012-01-11T12:04:00.001+01:002012-01-11T13:16:44.952+01:00Im Templer<div style="text-align: justify;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Es kam ihr alles unwirklich vor: der Fastnachtsbrunnen mit seinen grotesken Gestalten, die sich im Sprühnebel versteckten und der gewaltige Dom, eingetaucht in ein seltsames Gebläse, das von vier Musikern in schwarzen bodenlangen Gewänder stammten, die über den Leichhof glitten. »Wie können all diese Leute«, sie zeigte auf einen der Musiker, dessen Sousaphon sich wie eine Riesenschlange um seinen Körper gewickelt hatte, »ihr Leben einfach fortsetzen, während ein Verbrechen geschehen ist. Wenn wir nichts unternehmen, wird Pfeiffer niemals seine gerechte Strafe erhalten.«</span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Gerechte Strafe«, wiederholte Helga abfällig, als sie in die Augustinerstraße einbogen. »Das ist doch nur eine Redensart. Die Auffassung, dass das Leben die gerechte Strafe oder den gerechten Lohn bereithält, dass allem eine tiefere Bedeutung zukommt als die, die wir ihm bemessen, ist doch nur tröstlicher Aberglaube.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Aber Helga«, Lucia blieb stehen, »glaubst du denn nicht an Gerechtigkeit?« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Komm«, sagte Helga milde und hakte sich bei ihr unter; ihre dünnen, knochigen Fingern nahmen sich aus wie die eines kleinen Mädchens. »Ich bin müde. Die ganze Sache hat mich viel Energie gekostet, und ich wünsche mir jetzt nur eine warme Suppe in der gemütlichen Weinstube, von der du mir erzählt hast.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Vor der Ignatzkirche blieb Lucia stehen und wartete darauf, dass sich ihre Gereiztheit legte. »Hier ist es«, sagte sie und zeigte auf das Wirtshausschild gegenüber, auf dem ein Ritter abgebildet war. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgTk3o4j5QnTWa8Le_WdS8YfJ5hItwFArHAqcsO4xOJSqEjl655wN_3tbiBcI1EBbRaGatVmeilOESp9ChEtS01OJi5iCsgEfBkEjKtw3Ips7BpHUDORVRimYdbGm3RqHhmVGWyN1xbmQs/s1600/Spielkarten_22.png" imageanchor="1" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgTk3o4j5QnTWa8Le_WdS8YfJ5hItwFArHAqcsO4xOJSqEjl655wN_3tbiBcI1EBbRaGatVmeilOESp9ChEtS01OJi5iCsgEfBkEjKtw3Ips7BpHUDORVRimYdbGm3RqHhmVGWyN1xbmQs/s400/Spielkarten_22.png" width="300" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-family: Garamond;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: x-small;">© Christian Kohl</span></span></td></tr>
</tbody></table><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Die Täfelung aus Eichenenholz bedrängte Lucia zunächst von allen Seiten, als sie in den »Templer« eintrat, doch als Pierre, Mainz’ prominentester Korse, mit »Efin, ma Chéri« auf den Lippen ihr aus der Küche entgegenstürmte und sie mit Küsschen bedachte, fühlte sie sich frei und geborgen. »Isch«, begann er mit einem französischen Akzent, der die Melodie der Mainzer Mundart nachzuahmen schien, »abe gewusst, dass du eute kommst. Es gibt Cassoulet!« Er hielt sie fest und blickte ihr in die Augen. »Aber was hast du?« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Lucia presste den Mund zu einem dünnen Strich zusammen und wich zurück. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Erst jetzt schien er Helga zu bemerken. »Du hast mir deine Freundin noch nicht vorgestellt.« Er beugte sich zu ihr, um auch sie zu küssen. »Nun, meine Schönen«, sagte er und verschwand hinter dem Tresen, »ist es Zeit für einen Aperitif.« Er ließ keine Widerrede zu und drückte jeder der beiden alten Damen ein Glas Champagner in die Hand. Während er Lucia den Stuhl an ihren Lieblingstisch heranrückte, gestattete sie sich das Lächeln, das sie so lange unterdrückt hatte. Erst als auch Helga Platz genommen hatte, setzte er sich dazu. »Du weißt«, sagte er eindringlich, »du kannst mir alles sagen, was dich bedrückt.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Lucia zögerte, doch dann erzählte sie ihm die ganze Geschichte.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er hatte seinen Champagner ausgetrunken und beäugte Lucias unberührtes Glas. »Um dein Ziel zu erreichen«, sagte er, »lauf in die entgegengesetzte Richtung.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie konnte nicht mehr fragen, wie er das meinte, denn in diesem Augenblick kam die Kellnerin mit einer großen irdenen Kasserolle, und eine Viertelstunde lang wandte sich alle Aufmerksamkeit, mit anerkennenden Worten von allen Anwesenden, dem Cassoulet zu, und Pierre, hocherfreut, revanchierte sich mit der Geschichte, wie er die unerlässliche Zutat, die eingemachte Gans, in Straßburg erstanden hatte. Als die Mahlzeit beendet war, nahm er den Faden wieder auf. »Peiffer ist ein Spieler«, sagte er. »Du musst ihn dort packen, wo er es nicht erwartet, dort, wo seine Leidenschaft tobt.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»In der Spielbank?«, fragte Lucia unsicher. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Nein, er spielt Poker, und das mindestens zwei Mal die Woche.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Mit Didier«, sagte er schließlich und zwinkerte ihr zu. »Er nimmt dich sicher mit.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich und Poker«, entgegnete Lucia leicht abwehrend und stürzte ihren Champagner hinunter. »Mit Glücksspiel habe ich rein gar nichts am Hut!« Ihre gebrochene Rippe begann wieder zu schmerzen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Du sollst ja auch nicht spielen«, sagte Pierre und stand auf, »sondern ihn zum Pokerspiel begleiten«. Sein Gesicht lag jetzt im rötlichen Schein der Nachmittagssonne, die sich durch die beiden Fenster in den »Templer« drängte. »Sozusagen als Glücksfee.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Lucia starrte Helga an, erwartete, dass diese Widerspruch erhob und sie zum Arzt oder ins Bett schickte oder irgendetwas sagte wie »In deinem Zustand ist es nicht angemessen, wenn du dich in weitere Abenteuer stürzt.« Doch es kam nichts dergleichen, noch nicht einmal ein unmerkliches Kopfschütteln. »Und wohin?«, fragte sie zögerlich. Sie stellte sich ein verruchtes Lokal mit ebenso verruchten Gestalten vor, die trinkend und rauchend um einen runden Tisch saßen und sich neben schmutzige Schoten abgegriffene Spielkarten entgegenwarfen. Bei dem Gedanken war ihr etwas mulmig zumute. Vielleicht sollten sie und Helga jetzt gehen? <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich weiß nicht, ma chérie«, antwortete Pierre und grinste. »Das wirst du schon noch sehen.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie wusste, dass er etwas vor ihr verbarg, das sah sie an seinen Augen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er ging hinter den Tresen, nahm das Telefon und verschwand damit in der Küche. Nach einer Weile kam er mit einer noch heißen Tarte Tartin in der Hand zurück und sagte: »Ich habe mit Didier telefoniert.« Er stellte den Kuchen auf den Tisch. »Du hast Glück, ma Belle. Heute Abend ist ein Pokerspiel. Didier holt dich hier ab. Die Tarte wird euch beiden bis dahin die Zeit versüßen.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Pierre hatte damit vollendete Tatsachen geschaffen. Lucia musste nun bleiben und ließ sich mit dem unbeschreiblich wohlschmeckenden Apfelkuchen verwöhnen, der auch Helga zu schmecken schien, was unschwer an ihrem ungewöhnlich großen Appetit abzulesen war, der sie vier große Stücke verschlingen ließ, zwei mehr als sonst im Wiesbadener Maldaner. Während die beiden Damen aßen, zeigte er ihnen einige ausgefallene Stücke seiner umfangreichen Kaffeemühlensammlung, der größten, wie Lucia wusste, weit und breit. Dabei machte er das ein oder andere Kompliment, das Helga, sehr empfänglich für Höflichkeit und Schmeichelei, immer wieder zum Jauchzen brachte. Pierre’s liebenswürdig-gewinnende Wesensart schien ihr nicht unangenehm zu sein. Mehr noch: Lucia hatte ihre Freundin noch nie so munter erlebt. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Die Mainzer!«, seufzte Helga immer wieder, als sehne sie sich nach einem anderen Leben. »Die Mainzer!« Und so war sie auch nicht empört darüber, dass Lucia und sie, die eingefleischte Wiesbadenerin, von einem Mann, der plötzlich mitten im »Templer« stand, mit »Wo sind dann die Meenzer Mädcher« begrüßt wurden. Sie stieß aber ein erschrecktes Lachen aus, als sie sich umdrehte. Denn hinter ihr stand ein männliches Ungetüm, das mit dem kleinen Kopf aus seinen Muskeln schaute wie eine Schildkröte aus ihrem Gehäuse. Trotz seines eleganten Anzuges, warf sie ihm einen raschen Blick konzentrierter Verachtung zu und drehte sich wieder um. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjVG_lVS_PFn0XxAq235Ex0DpEKfP9FNIaa7CtkTiY5l6oOZPswyCzT5JlcuEA7Ks30kRNnOnOD2fABVXVTjGTjcLGImmx65lnlQmSh1ELuCQ4usJ5a08LsRbxsnyA6WJjsquc1oS6eusw/s1600/Rasierwasser_1.png" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjVG_lVS_PFn0XxAq235Ex0DpEKfP9FNIaa7CtkTiY5l6oOZPswyCzT5JlcuEA7Ks30kRNnOnOD2fABVXVTjGTjcLGImmx65lnlQmSh1ELuCQ4usJ5a08LsRbxsnyA6WJjsquc1oS6eusw/s400/Rasierwasser_1.png" width="300" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-family: Garamond;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: x-small;">© Christian Kohl</span></span></td></tr>
</tbody></table><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er setzte sich neben sie, rieb sich die rechte Hand mit der linken und sagte, die Ellbogen auf den Tisch gestützt: »Isch bin der Dieter!« Als er zu sprechen begann, zuckte Helga zusammen und tastete nach ihrer Tasche. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Didier«, korrigierte Pierre, was Helga, aber auch Lucia leicht aufatmen ließ. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Wer von euch beiden Hübschen«, fragte Dieter, »ist denn mein Maskottchen?« Er roch stark nach Eau de Toilette, Egoist, ein Duft aus den Achtzigern, der sicher seine Alkoholfahne überdecken sollte, die Lucia wenig später in die Nase stieg. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich«, antwortete sie zögerlich und beugte sich zu ihm hinüber, um ihm die wenigen unbeholfenen Sätze zu sagen, die sie sich zurechtgelegt hatte. Doch er wusste schon Bescheid, nickte ab und sagte: »Den Pfeiffer, den kennt hier jeder!« Er brabbelte etwas von Spielerschulden und Ehre, was Lucia nicht verstand, um dann in die Frage einzumünden: »Was wollt ihr zwei Lotusblüten denn von dem? Der ist doch verheiratet.« Er machte eine Pause und sah Lucia mit durchdringenden Basedowschen Augen an, die etwas an sich hatten, das sie auf der Hut sein ließ. Dann fuhr er lachend fort: »Außerdem sind Frauen nicht ganz sein Fall!« <o:p></o:p></span><br />
<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: large;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: 17px;"><br />
</span></span><br />
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"><br />
</span><br />
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"></span><br />
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"></span><br />
<span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"><div class="MsoNormal" style="font-family: Times; font-size: medium; line-height: 10pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh7F5C1lqjPmoI3Th85XMK_PHwk9eo_yhnIwo27g4ogBu3LajEaWFZbkGzgk_TBI1S0gBdn3cMYPlJfaRWvHllaWlLkN0uuF8nJdI3kPK90ca5-vuS-718xIPa-KTuqzH-3H88aalaPLvw/s1600/Auch+ein+blindes+Huhn+-+Titelbild.png" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh7F5C1lqjPmoI3Th85XMK_PHwk9eo_yhnIwo27g4ogBu3LajEaWFZbkGzgk_TBI1S0gBdn3cMYPlJfaRWvHllaWlLkN0uuF8nJdI3kPK90ca5-vuS-718xIPa-KTuqzH-3H88aalaPLvw/s200/Auch+ein+blindes+Huhn+-+Titelbild.png" width="122" /></a><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 13px; line-height: 25px;"><a href="http://www.amazon.de/Auch-ein-blindes-Huhn/dp/3981482921/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1326278806&sr=8-1" style="color: #0b5394; text-decoration: none;">© Neumann, Hubert: Auch ein blindes Huhn. Mainz 2011.</a></span></div></div><div class="MsoNormal" style="font-family: Times; font-size: medium; line-height: 10pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-size: 8pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: 'Trebuchet MS', Trebuchet, Verdana, sans-serif; font-size: 13px; line-height: 18px;"></span></span></div></div><div class="MsoNormal" style="font-family: Times; font-size: large; line-height: 19pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: xx-small;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Times; font-size: 11px; line-height: 13px;">Bestellung signierter Exemplare mit persönlicher Widmung hier auf der Seite unter dem Reiter "Kontakte". </span></span></span></div></div><div class="MsoNormal" style="font-family: Times; font-size: large; line-height: 19pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Times; font-size: small;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: 11px; line-height: 13px;"><br />
</span></span></div></div><div style="font-family: Times; font-size: medium; line-height: normal; margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: small;"><br />
</span></div><div class="MsoNormal" style="font-family: Times; font-size: medium; line-height: 10pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: small;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: 11px;"><br />
</span></span></div><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-size: 8pt;">Niemand ist so veranlagt, dass man ihm trauen könnte! – Das ist die fixe Idee der Mainzer Grabrednerin Lucia Herzer, einer pensionierten Lehrerin, die hinter jedem Trauerfall einen Mord vermutet. Sehr zum Missfallen ihrer Wiesbadener Freundin Helga. Denn die selbst ernannte Mainzer Miss Marple geht dabei fast immer in die Irre. Sie beschuldigt unbescholtene Bürger und lässt sich zu waghalsigen Aktionen verleiten, die für die beiden Freundinnen nicht immer ungefährlich sind. Doch auch ein blindes Huhn wie sie findet manchmal ein Korn.<o:p></o:p></span></div></div><div class="MsoNormal" style="font-family: Times; font-size: medium; line-height: 10pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-size: 8pt;">Dieser Stadtkrimi, an dem die Leser der „Stadtausgabe Mainz“ als Ideengeber mitgewirkt haben, ist mehr als nur eine bloße Aneinanderreihung von Aha-Erlebnissen – etwa wenn man die Kneipe an der Ecke oder bestimmte Mainzer Persönlichkeiten wiedererkennt. Er ist urkomisch und spannend zugleich.<o:p></o:p></span></div><div><span style="font-size: 8pt;"><br />
</span></div></div><div class="MsoNormal" style="font-family: Times; font-size: medium; line-height: 10pt; text-align: justify;"></div></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-76012434760942225902012-01-10T00:14:00.002+01:002012-01-10T10:02:38.824+01:00Herausgefallen<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Nach fünfminütigem Dösen wachte Anna auf und sah einen nackten Mann mit schütterem Haar und liebevollem Gesichtsausdruck vor ihrem Bett stehen. Wo war sie? Wer war diese Person? Was wollte er? Sie zog die Decke über ihre nackten Brüste und starrte ihn an. Schließlich fragte sie: „Gehöre ich hierher?“ <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Na klar«, sagte er lächelnd und setzte sich neben sie. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie spürte eine unendliche, kühle Leere. Sie hatte das Gefühl, dass in ihrem Körper eine Tote lebte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; mso-outline-level: 1; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich weiß nicht, wer Sie sind, und ich weiß nicht, wer ich bin?«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Was soll das heißen, du weißt nicht, wer du bist?«, fragte er sanft und immer noch lächelnd. Er lüpfte die Bettdecke und schlüpfte darunter, sein kalter, nackter Köper an ihrem. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich weiß nicht, wer ich bin«, wiederholte sie. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Jetzt lachte er. »Hör doch auf mit diesem metaphysischen Quatsch, mein Schatz. Und schlaf noch ein bisschen. Es wird heute Abend spät werden. Du weißt doch, wie deine Mutter ist!«<o:p></o:p></span></div><table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjTATKyvn8iqVdoOWnttuCiY1JEOlRepcVVZ8CtabD3AAgwycX_rovrTsok07Gf59fR6WNLRMoKRjZDM8G1pyWW1hkBfgpS3LKxCtTOp_11NkAwy5xDg4erk-CZCnKlbmU7WLsl1eFL984/s1600/paula2.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjTATKyvn8iqVdoOWnttuCiY1JEOlRepcVVZ8CtabD3AAgwycX_rovrTsok07Gf59fR6WNLRMoKRjZDM8G1pyWW1hkBfgpS3LKxCtTOp_11NkAwy5xDg4erk-CZCnKlbmU7WLsl1eFL984/s640/paula2.jpg" width="480" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-family: Garamond;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: small;">© Paula Andrea Alvarado</span></span><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"> </span></td></tr>
</tbody></table><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie sprang auf und zog den Morgenmantel an. Sperma klebte an ihren Oberschenkeln. Dann rannte sie nach draußen und stieg die Anhöhe hinauf. Das trockene, braune Gras, hart und spitz wie kleine aufrecht stehende Nägel zerbrachen knackend unter ihren Füßen. Während des Aufstiegs versuchte sie ihre Traumvorstellungen von einem Mann mit diesem nackten Mann, der ihr Mann war, in Übereinstimmung zu bringen. Aber es gelang ihr nicht. Warum gelang es ihr nicht? War es ihr jemals gelungen? Sicher. Sonst wäre dieser nackte Mann doch nicht ihr Mann. Oder hatte sie ihn gegen ihre Traumvorstellungen geheiratet? Was war geschehen? Was war mit ihr geschehen? Warum stellte sie alles in Frage? – Weil die Vergangenheit aus unerfindlichen Gründen nicht mehr der Gegenwart und die Gegenwart nicht mehr der Zukunft glich. Und weil sich damit die Gewohnheit als Gewohnheit entlarvt hatte.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Die Sonnenstrahlen pressten sich wie ein warmer Körper an sie, ließen sie schwitzen und erfüllten sie plötzlich mit dem eigenartigen Verlangen, sich ihres Morgenmantels zu entledigen und nackt weiter zu laufen, was sie auch sofort tat. Oben angekommen streckte sie die Arme über ihren Kopf, ließ das Haar in den Nacken fallen, schloss die Augen und wandte ihr Gesicht der Sonne zu. Sie summte eine Art melodieloses Lied, einen Sprechgesang und bemerkte, wie sich die Erde bewegte, wie sich um sie herum alle Elemente in Bewegung setzten. Sie nahm die Hitze in sich auf und spürte all die Bewegungen ihres Körpers als persönliche Ereignisse, die sie sozusagen von außen heimsuchten, plötzliche Lichtstrahlen, die wie Blitze durch sie hindurchfuhren. Sie war nicht verrückt. Sie hatte sich verrückt. Plötzlich wusste sie, wer sie war und wusste auch, warum ihr Mann nicht der Mann war, den sie sich erträumt hatte. Und es war ihr jetzt auch völlig gleichgültig, ob ihr Mann ihren Traumvorstellungen entsprach. Wichtig war nur, dass sie sich selbst wieder spürte.<o:p></o:p></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-78807224720271431992012-01-09T10:03:00.000+01:002012-01-09T10:03:32.490+01:00Stachel<!--StartFragment--> <br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj_OwzD6JFO-cr_8tjt99hIMIKiCgEOMURwGRN6Q0qTirx3YkS_gYTC8CUIb584TDoMdL-WvZ_a3UIMfSTg2Xsbugptjh8i_WIlgZhEUl2mqSLkUF_FiHYvVces_xtXOEkPgkkgaekpiEs/s1600/stachelige+Kakturs.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj_OwzD6JFO-cr_8tjt99hIMIKiCgEOMURwGRN6Q0qTirx3YkS_gYTC8CUIb584TDoMdL-WvZ_a3UIMfSTg2Xsbugptjh8i_WIlgZhEUl2mqSLkUF_FiHYvVces_xtXOEkPgkkgaekpiEs/s200/stachelige+Kakturs.jpg" width="200" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><br />
</span></div><br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Sie kehrte zur Wohnung zurück, mit einer Niedergeschlagenheit, die ihr die Knochen erweichte. Trotz der Hitze war ihr eiskalt. Er öffnete die Tür, noch immer nackt, und sah sie an. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Ich kann nicht anders, auch wenn du mich wieder rauswirfst«, sagt sie und drängte sich an ihm vorbei. »Du bist ein Stachel in meinem Fleisch! Kommst wie ein Fluch über mich!«<o:p></o:p></span></div><!--EndFragment-->Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-87340740802004343582011-12-24T09:02:00.000+01:002011-12-24T09:02:59.009+01:00Das Glück...<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 23px;">»Das Glück ist kugelrund«, sagte er und wälzte sich den Abhang hinunter.</span><br />
<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: large;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: 17px; line-height: 23px;"><br />
</span></span><br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjdcFcxbBg5a6LT_TiFwIYZYwt7IBsQCjqcUxOQQVW-weZvPJiJ0McyDgQt0aHDWwXvwQPAj2nI717E2Ma2eYYzUZ5if5cSpVC1-ClD2hIm_9W0fE4jfPwhyx1NpYvMhhQKUIwZS7QNsE0/s1600/Kugelrund-a20875559.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="239" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjdcFcxbBg5a6LT_TiFwIYZYwt7IBsQCjqcUxOQQVW-weZvPJiJ0McyDgQt0aHDWwXvwQPAj2nI717E2Ma2eYYzUZ5if5cSpVC1-ClD2hIm_9W0fE4jfPwhyx1NpYvMhhQKUIwZS7QNsE0/s320/Kugelrund-a20875559.jpg" width="320" /></a></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-37608547779991079312011-12-22T10:23:00.000+01:002011-12-22T10:23:48.603+01:00Autosuggestion<div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><div class="MsoNormal" style="line-height: 19pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: large;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: 17px; line-height: normal;"><b> <!--StartFragment--> </b></span></span></div><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: large;"><b><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Christina fühlte sich seltsam, als wäre sie inwendig hohl und ihr Körper nur Haut und Knochen, eine aufgeblasene Schweinsblase, die man mit einer feinen Nadel zum Platzen bringen konnte. Hinzu kam ein unerklärliches Kribbeln, fast so, als krabbelten Ameisen unter ihrer Haut, manchmal auch ein Pochen in einzelnen Körperteilen, besonders in den Gliedmaßen, das mit unangenehmen und ebenso unerklärlichen Stichen einherging und einer Hitze, die von den Füßen zum Kopf hochstieg und vom Kopf zu den Füßen ging. Legte man eine Hand auf ihre Stirn, fühlte man aber nichts Besonderes. Man sah auch nichts. So angestrengt man sie auch betrachtete. Daher musste sie weiter arbeiten, selbst wenn sie die einfachste Verrichtungen wie Spinnen oder Nähen nicht mehr fertig brachte. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Ihr Kopf war von allen Gedanken und auch Erinnerungen entleert. Mitunter wusste sie nicht mehr wer sie war und was sie tat, erlebte alles wie unter einem Schleier, und wenn sie die Dinge ganz unverhüllt schaute, so erfasste sie dieselben höchst selten so, wie sie waren oder wie sie sein mussten. Folglich war es ihr auch nicht mehr erinnerlich, wie und wann das Übel begonnen hatte. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Man hatte sie auf dem Boden im Stalldung liegend gefunden. Daran konnte sie sich noch gut erinnern, nicht aber wer sie gefunden hatte. Vielleicht war es der Knecht gewesen? Vielleicht aber auch der Wirt? <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjGKO9PqbdScTGTJOAaRYuiXUJKkwdmILJCmlTMOyU_JRZJNo20EMPTHHnrNdHQ_hEftAOB34LiCDq-L1OB_GeTOOdVqPmiUW4phVE3ZfSigPI0WWg3KtRPs3yAJ-G51qGr7_E-FBj8P3c/s1600/Wurm.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjGKO9PqbdScTGTJOAaRYuiXUJKkwdmILJCmlTMOyU_JRZJNo20EMPTHHnrNdHQ_hEftAOB34LiCDq-L1OB_GeTOOdVqPmiUW4phVE3ZfSigPI0WWg3KtRPs3yAJ-G51qGr7_E-FBj8P3c/s320/Wurm.jpg" width="320" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Mit großer Beschwerde war sie aufgestanden - man hatte ihr dabei geholfen – und hatte ein solches Rumpelwerk, ein Rumoren in ihrem Bauch verspürt, dass sie gleich darauf in die Wirtsstube gerannt war, um eine halbe Flasche Branntwein zu trinken, durch den sie beinahe endgültig von aller Vernunft gekommen wäre, wenn sie sich vorher nicht, aus lauter Übelkeit, die ihr der Alkohol bereitet hatte, den Finger in den Hals gesteckt hätte. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Am Anfang war nicht mehr als ein wenig Wasser herausgekommen, das nach Galle und vergorener Milch gerochen hatte. Doch nach langem Quälen hatte sie etwas hervorgewürgt, das einem fingerlangen Wurm oder Reste eines Wurms nicht unähnlich war. So genau hatte sie es nicht erkennen können, denn es war sofort im Abtritt verschwunden. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Entsetzt war sie zur Kellerin, dem Kräuterweiblein, in die Himmelsgasse gestürzt und hatte ihr mit dünner Stimme ihr Leid geklagt. </span><i><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;"><o:p></o:p></span></i></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">„Was ich sage, ist wahr“, beteuerte sie ihr unter Tränen. „Ich erfinde niemals Geschichten. Ich verbürge mich bei meiner Ehre, für das, was ich erlebt habe.“<o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Die kleine, verwachsene Gestalt stand mitten in der Küche auf einen Stecken gestützt, an dem noch die Rinde haftete, und hörte ihr regungslos bis zum Ende der Rede zu. Daraufhin legte sie ihren Stock auf einen Stuhl, ganz vorsichtig, als ob es von Bedeutung wäre, ging zum Wasserbottich, der vor der Türschwelle stand, beugte ihr schlimm verkrüppeltes Rückgrat tief nach unten und tauchte die Hände ins Wasser, etwa drei Vaterunser lang. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">„Es erscheint vielen beinahe wie ein Wunder“, sagte die Alte schließlich und richtete sich auf, „dass die Würmer, vor allem, weil sie lang und rund sind, emporsteigen und durch Mund und Nase herauskommen.“ Sie spreizte ihre noch feuchten Hände und versprengte das Wasser mit mehreren schüttelnden Bewegungen wie mit einem Weihwasserwedel in den Raum. „Aber das ist nun einmal so, wenn derjenige schlecht isst oder schlecht wohnt, was eine gewisse Verstimmung im Magen und in den Eingeweiden hervorruft, die geeignet ist, die Würmer zu reizen, die ansonsten still und ruhig sind.“ Sie machte eine Pause, während sie sich die Hände an ihrem Fürtuch abwischte. „Isst du denn schlecht?“<o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Christina überlegte. Noch nicht einmal das wusste sie genau. Ihr Kopf war schwach. Sie konnte einfach nichts mehr zusammenbringen. Schließlich antwortete sie, wortkarg, was gar nicht ihre Art war: „Ich kann nichts Rechtes hinunterbringen.“ <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Die Kellerin sah sie wieder lange an, ohne etwas zu sagen, und nickte endlich bedächtig mit dem Kopf. „Das ist es“, sagte sie leise wie zu sich selbst und trottete in die Küchenmitte zu dem Stuhl, auf dem der Stecken lag. „Wenn der Mensch lange Zeit nüchtern gewesen ist, oder nahezu nüchtern, dann nagen die Würmer am Magen, denn sie sehnen sich nach Nahrung. Und weil sie nach einer gewissen Zeit nichts bekommen, um sich zu ernähren und am Leben zu erhalten, steigen sie empor und suchen nach Speise, bis sie schließlich im Rachengang der Kehle ankommen.“ Während sie sprach, hielt sie den Stecken in der Hand, um damit wie zur Verdeutlichung den aufwärts führenden Weg der kleinen hungrigen Schmarotzer mit einer zittrigen, aber gewandten Bewegung nachzuzeichnen, angefangen an Christinas Unterleib bis hin zu ihrer Kehle. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Leicht nur berührte sie Christinas Brust, dass es dieser ganz anders wurde, und in diesem Moment bemerkte sie auch, dass etwas Lebendiges unter ihrer Herzgrube kniepte und fraß. Sie </span></span><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">stellte sich vor, wie all diese winzigen Würmer – Wie viele mochten es denn sein? – sie zum Gegenstand ausgesuchter bübischer Unternehmungen machten und in ihrem Kopf und ihren Gliedern die unsäglichen Empfindungen verursachten, welche sie schon seit Tagen peinigten. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">„Aus einem gewissen Scharfsinn und einer natürlichen Neigung heraus“, erklärte die Kellerin weiter und setzte den Stecken auf den Boden, „spüren die Würmer, dass die Speise auf diesem Weg in den Magen kommt. Und weil die Nase auch ein Kanal ist, der in die Kehle einmündet, gehen sie auch hierin und kommen vermittels des Niesens heraus oder werden mit den Fingern herausgeholt. - Ich habe oftmals gesehen, wie dies auch bei gesunden Menschen vorkommt. Du brauchst dich also nicht zu sorgen. Brauchst nur zu essen. So werden die Würmer wieder in die Eingeweide zurückgedrängt.“ Sie kramte in ihrer Schürze ein kleinen Beutel hervor und streckte ihn Christina entgegen. „Zur Sicherheit nimm das und bereite einen Sud daraus. Das wird dir helfen. Es sei denn“, sie unterbrach sich plötzlich und tat ganz geschäftig. „Ich muss jetzt ...“<o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">„Was?“, fragte Christina. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">„Die Kräuter werden dir schon helfen.“ <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">„Was?“, wiederholte Christina leicht gereizt. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">„Es sei denn jemand hat dich vergiftet!“<o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Christina lachte, nahm den Beutel und drückte der Alten etwas Geld in die Hand. Wer sollte sie denn vergiften wollen! Wenn schon nicht reich an Gut, so war sie doch reich an Seele. Sie war allen Menschen hold, tat ihnen gut und dachte stets nur an das Beste! <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Sie lachte auch noch auf dem Nachhauswege. Womöglich war das ein gutes Mittel gegen die Würmer? <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Aber als sie nach Haus gekommen war und sich im Spiegel betrachtet hatte, war ihr das Lachen vergangen. Denn ihr Gesicht war trotz der sommerlichen Bräune bleich, ihre Augen funkelten stärker als zuvor, und ihr Mund sah aus wie ein schmaler Strich. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjuwKI66zaHGwSzFyF2HXw3FmmTRdPvUG5Z15Jr7nzcYCUBSd_-WDYhklcaaNYLB_7PjSsggVwiMNTpyGT6IDjxusqWYpt9VtiXzLnEKxQ9DdqTzwG7faxUvAY98WqE8Cghos8GwJgF9qU/s1600/leerer+Gang.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjuwKI66zaHGwSzFyF2HXw3FmmTRdPvUG5Z15Jr7nzcYCUBSd_-WDYhklcaaNYLB_7PjSsggVwiMNTpyGT6IDjxusqWYpt9VtiXzLnEKxQ9DdqTzwG7faxUvAY98WqE8Cghos8GwJgF9qU/s1600/leerer+Gang.jpg" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Vielleicht hatte man sie doch vergiftetet? <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Als sie zu Bett gegangen war - früher als sonst - , dachte sie immer noch daran, obwohl es ihr etwas besser ging. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Über der Erinnerung an den ausweichenden Blick der Alten war sie schließlich eingeschlafen, um nachts zur zwölften Stunden durch ein überlautes Poltergeräusch aus dem Schlaf geschreckt zu werden. Es war ihr, als würden Fässer die Treppe hinuntergeworfen. Sie wollte schon ansetzen, um sich lautstark über das nächtliche Treiben zu beklagen, als ein schreckliches Sausen und Pfeifen begann, als flögen Nüsse aus den Schubladen an die Wand. Flugs zog sie die Decke über den Kopf, damit sie sich durch die hölzernen Früchte zu allem Übel nicht auch noch äußerlich verdarb, und schickte eins, zwei Ave Mariae gen Himmel. Denn der nächtliche Beschuss kam ihr fürwahr nicht ganz geheuer vor. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Sie lag noch im Gebet, als das Gepolter und Getöse mit einem Schlag verstummte. Darauf folgte Stille, nichts als Stille. Kein Knistern und Knacken, kein Rascheln und Rollen, kein Wispern und Pispern, kein Schnarchen und Schnaufen. Nur Stille. Es war so, als ob die Vögel des Himmels bei helllichtem Tage ganz plötzlich und unerwartet verstummt wären. Noch nicht einmal in ihrer Herzgrube kniepte und fraß es.<o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Ja, war sie vielleicht schon tot? <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Mit einem Ruck sprang sie aus dem Bett, um sich selbst zu vergewissern und vor allem aller Welt zu bekunden, dass sie noch nicht verschieden sei, und stürzte zur Tür, ohne auf die Haselnüsse zu achten, die auf dem Kammerboden überall herumkullern mussten. Dabei bemerkte sie sehr wohl, dass dort rein gar nichts lag, auf dem sie hätte ausrutschen können. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Sie begann die Treppe hinunterzuschleichen. Jede Stufe verriet sie durch ihr Knarren. Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Sie bildete sich ein, das Geräusch von neuem zu hören, war sich aber nicht sicher. Sie blieb stehen und hielt den Atem an. Nur rauschende Stille und ihr pochendes Herz. Wieder schlich sie sich drei Stufen hinunter. Wenn doch nur der Wirt da wäre und... Sie war noch vier Stufen vom unteren Treppenabsatz entfernt. Unten angekommen, war nichts zu sehen, was die Ursache für den nächtlichen Lärm hätte sein können. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Es war wie im Traum. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Vielleicht träumte sie ja auch? <o:p></o:p></span></span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh0jAwior6QvqkHFD37T3DokMcdviZG8X6c9Y_ZVlewXaW77R_JBhYNBAcLetzgft_Bs8XyzWnnNK3dv9WuoGyfu40yXRL3pjcXmsFQsys00BiUMcDx51demyBJtqyO-GLCHvphrIhMOY0/s1600/Es+war+etwas+um+sie+herum.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh0jAwior6QvqkHFD37T3DokMcdviZG8X6c9Y_ZVlewXaW77R_JBhYNBAcLetzgft_Bs8XyzWnnNK3dv9WuoGyfu40yXRL3pjcXmsFQsys00BiUMcDx51demyBJtqyO-GLCHvphrIhMOY0/s1600/Es+war+etwas+um+sie+herum.jpg" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Niemand wuchtete Fässer durch das Haus. Es war wie allezeit in der Nacht, wenn sie auf den Nachstuhl musste. Sie hatte lediglich das Gefühl, dass etwas um sie herum war, das sie zwar nicht sah, wohl aber gehört hatte, wenn auch nur kurz, und welchem sie ihre sämtlichen körperlichen Beschwerden und alle Anfechtungen des Gemüts zuschreiben konnte.<o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Als sie die Treppen wieder hinaufstieg, glaubte sie hinter sich, ein huschendes Geräusch zu hören wie von Ratten, ein Rascheln. Sie meinte eine Bewegung wahrgenommen zu haben, doch als sie sich umwandte, war alles still. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Es war sicher ein Luftzug, dachte sie und stieg wieder zurück in ihr noch warmes Bett. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Sie war ganz weit weg und zitterte und wartete darauf, dass sie wieder zum rechten Gebrauch ihrer Gemütskräfte gelangte, dass ihr Kopf stark wurde. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Das Böse bemächtigt sich schnell eines Menschen, dachte sie. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Sie schloss die Augen und ließ sich treiben. Es war kein eigentlicher Schlaf, sondern eher ein leichtes Nickerchen. Sie wusste, sie lag auf dem Bett, und versuchte zu ergründen, was gerade mit ihr geschah. Die Gedanken verhäkelten sich allmählich in ihrem Hirn.<o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Vielleicht hatte man sie doch vergiftet? <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Nicht mit einem Trank, einer Salbe oder einem Pulver, sondern mit dem bloßen Wort... <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Denn das Wort besaß eine große Kraft, wenn es in starkem Verlangen und in der richtigen Absicht gesprochen wurde. Alle Wunder der Welt geschahen durch das Wort und auch alles Übel war durch das Wort in die Welt gekommen. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Sie dachte an die Wunder des Herrn, von denen die Pfaffen erzählten. Sie dachte auch an die Heimsuchungen des Teufels. Sie dachte aber auch an die unterschiedlichsten Kräuter, die ihre heilende Wirkung nicht von Natur aus entfalten konnten, sondern nur dann, wenn bestimmte geheime uralte Riten eingehalten wurden; und dazu gehörten auch formelhaft ausgesprochenen Worte, - auch, wenn man sie meist nicht verstand. Sie dachte an Gebete, Wünsche und Bitten, die in Erfüllung gingen, auch an Zaubersprüche und – formeln. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Alles Worte! Man sah zwar nicht, wie sie ihre Kraft entfalteten, aber man konnte sie hören. Das lautlose Lesen half da wenig. Das galt auch für Flüche, durch welche man Unheil auf einen anderen oder auf dessen Habe oder auch auf sich selbst herabwünschte. Ein im Augenblick des Todes ausgesprochener Fluch erfüllte sich auf wunderbare Weise ... <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Die Alte hatte Recht!<o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Christina pochte das Herz in der Brust. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn. Sie war auf der richtigen Fährte. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Noch spürte sie die Schwäche des Verstandes, doch die verlorenen Geisteskräfte kehrten allmählich zurück. Und je länger sie über die Macht der Worte nachdachte, um so gewisser wurde sie sich, dass man unnatürliche Dinge mit ihr trieb, die durch Worte hervorgerufen worden waren, dass man sie verflucht hatte. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Eigentlich hatte sie es ja schon immer gewusst!<o:p></o:p></span></span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjl8ZeCHMpp71HGV1RNNYrTdat6jurwbnnh-RYTEFIvnH3vAFvEoGoHik5NFIoefs6SQJ3iRKhfEJRnJ0_A6PW1hgV62OunfZeXZAHhhe1-OZN8Gsw83DOlGhFs_ND6wP1Isl2L-sv4XOA/s1600/Woodoopuppe.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjl8ZeCHMpp71HGV1RNNYrTdat6jurwbnnh-RYTEFIvnH3vAFvEoGoHik5NFIoefs6SQJ3iRKhfEJRnJ0_A6PW1hgV62OunfZeXZAHhhe1-OZN8Gsw83DOlGhFs_ND6wP1Isl2L-sv4XOA/s320/Woodoopuppe.jpg" width="320" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Sie wusste, dass die Flüche eines betrogenen Mädchens ebenso sicher in Erfüllung gingen, wie die einer Schwangern. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Das hatte sie selbst erlebt: damals, als die schwangere Hauberin den Teich neben der Mühle verflucht hatte. Daraufhin hatte kein Mensch mehr einen Fisch daraus zu essen bekommen. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Plötzlich standen die Worten über ihr, die der schwangeren und übelbeleumdeten Anna einfach so in einer Art Wut entwischt waren, und die sie, Christina, aus ihrer Erinnerung geschoben hatte: „Du sollst keine guten und gesunden Tage mehr haben, sollst blind, lahm und krumm werden. Das fallende Übel soll über dich kommen!“ <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Christina stürzte wieder aus dem Bett und begann ihre Kammer zu durchwühlen. Sie wusste selbst nicht, nach was sie suchte. Es musste etwas sein, was nicht ihr gehörte, etwas, was nicht ohne Mühe zu finden war und was demnach nicht einfach so unter ihrem Bett oder in der Truhe lag, sondern etwas, was sich verborgen hielt. Etwa einer kleiner eitergelber Kieselstein, der dafür sorgte, dass es unter ihrer Haut kribbelte und krabbelte, solange er sich in ihrer Kammer befand. Oder ein kleines Säckchen, das sehr viele Dinge enthielt, wie Körner als auch Samen, in das Knochen, Haare, Sauborsten, Kalk, Wachs und anderer Unflat eingenäht war, der Raserei und Sinnesverwirrung bewirkte, dass sie unsinnig im Haupt wurde. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Sie riss das Kissen auf, zertrennte ihre Kleidung, selbst die feinste Naht. Doch sie fand nichts. Keine wunderlichen Samen, keine Knollen, die sie nicht kannte, keine Rossnägel, kein farbiges Pulver, keine Bänder, Netze und Federn, die ihr fremd vorkamen, keine Häute und kein wächsernes Männchen, wodurch sie gequält werden sollte, auch keine Krötenknochen und die feinen Knochen eines ungetauften Kindes. <o:p></o:p></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-weight: normal;">Aber was braucht ein Fluch anders als Hass, dachte sie, als sie vor den zerfetzten Kleidungsstücken stand, die jetzt nichts anderes mehr als Scheuerlappen waren. Hass und Fluch gehörten zusammen wie Liebe und Versöhnung. Wenn sie sich recht besann, hatte sie den Duft von Annas Hass geradezu gespürt. </span><o:p></o:p></span></div><!--EndFragment--> </b></span></div></div><div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"></div></div></div></div></div></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-22173284674152542132011-12-21T09:56:00.000+01:002011-12-21T09:56:33.558+01:00Spuren<div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">Bereitwillig folgte ich ihm und machte es mir ein zweites Mal im Sessel bequem.</span></div></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjgfn8N0ggUoeNsu7dLziUulyuLGPSw-weF0eg0bru40vg4WJApqL_Z8RpfGbkR2SEjzG5imFERn0o-u_ZA0j_zVFPep8ykNMqNw8TqOv0S0URVN0l1shJfkySLhDyOvjFBlsQLL4bQ5GU/s1600/Spuren.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjgfn8N0ggUoeNsu7dLziUulyuLGPSw-weF0eg0bru40vg4WJApqL_Z8RpfGbkR2SEjzG5imFERn0o-u_ZA0j_zVFPep8ykNMqNw8TqOv0S0URVN0l1shJfkySLhDyOvjFBlsQLL4bQ5GU/s320/Spuren.jpg" width="320" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Erinnern geschieht gewöhnlich unbewusst«, begann er, indem er sich mir gegenüber setzte. »Es erfordert Mühe, sich Erinnertes bewusst zu machen, es der Gefahr des Vergessens zu entreißen.« Er streckte mir das Weinglas entgegen. »Ich habe Ihnen angesehen, dass Sie mit meiner Gläsersammlung nichts anzufangen wissen. - Sehen Sie hier den roten Lippenstiftabdruck.«<o:p></o:p></span></div></div></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"><span id="goog_35035762"></span><span id="goog_35035763"></span>Ich nickte.<o:p></o:p></span></div></div></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19pt; text-align: justify;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><div style="margin-bottom: 0px; margin-left: 0px; margin-right: 0px; margin-top: 0px;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Spuren wollen gelesen werden. Der Entdecker solcher Spuren muss sie so deuten, dass eine Geschichte entsteht, deren einfachste Formulierung etwa so lauten könnte: Hieraus hat jemand getrunken.« Er lächelte und hob viel sagend die Augenbrauen. »Die ersten Geschichtenerzähler müssen wohl Jäger gewesen sein. Weil sie als einzige fähig waren, in den stummen Spuren der Beute eine zusammenhängende Folge von Ereignissen zu lesen.« <span id="goog_1672570226"></span><span id="goog_1672570227"></span></span></div></div></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-21988352298092737712011-12-16T09:52:00.001+01:002011-12-16T09:53:21.198+01:00Überzeugungen<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgb2AyVfHyr7NI6Om1yo-CPBBQ32AZ3HfL0YkuvJKhTYuMdym0hWEe6PAo3NxVGNjXFWjFgUHRJwql6h6riSG3B1E3E-Xky7B7ohf8ynbopSgFLc5MGZCgze_2EtXoC7OfQ1YznKzSA7uo/s1600/Handschellen.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgb2AyVfHyr7NI6Om1yo-CPBBQ32AZ3HfL0YkuvJKhTYuMdym0hWEe6PAo3NxVGNjXFWjFgUHRJwql6h6riSG3B1E3E-Xky7B7ohf8ynbopSgFLc5MGZCgze_2EtXoC7OfQ1YznKzSA7uo/s1600/Handschellen.jpg" /></a><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;"></span><br />
<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;"><div style="text-align: justify;">Während die Sicherheitskräfte den Tatort absicherten, sah sie immer noch unter sich und betrachtete den Fußraum im Auto. »Ist er endlich tot?«, fragte sie den Polizisten, der ihr die Handschellen angelegt hatte und jetzt neben ihr Platz nahm.</div></span><br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er nickte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Voller Mühe hob sie das Kinn und drehte den Kopf zur Seite. Das Gesicht war weiß, dass es fast leuchtet. Ihre Miene wirkte verkniffen und dennoch siegesbewusst. Sie wollte sich nicht mehr verstecken, wollte, dass jeder sie sah. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Gut«, sagte sie. Sie lehnte sich halb aus dem Fenster und vergewisserte sich mit einem schnellen Blick, dass die Kameras eingeschaltet und auf sie gerichtet waren. Dann beugte sie sich noch weiter hinaus und sagte: »Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.«<o:p></o:p></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-42187981448805762012011-12-15T08:40:00.000+01:002011-12-15T08:40:31.957+01:00Anziehungskraft<!--StartFragment--> <br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjTYNz0yQNY8mX3PTLI54zvxs1mOe6VwAv1yR8M5q124viZ8M2-a9DXAYaEgOXHf8Th0D-FSeY2z5AxStELV92-11iTUmQc_JjqqLTuXtrdxDP531eBbN_qUB03cH8lsmJqvi5c6n6Yp3s/s1600/5448aef82d644102aeaab954d6279999_6.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjTYNz0yQNY8mX3PTLI54zvxs1mOe6VwAv1yR8M5q124viZ8M2-a9DXAYaEgOXHf8Th0D-FSeY2z5AxStELV92-11iTUmQc_JjqqLTuXtrdxDP531eBbN_qUB03cH8lsmJqvi5c6n6Yp3s/s1600/5448aef82d644102aeaab954d6279999_6.jpg" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Er heftete seine Lippen auf ihren Mund, erst nur die Oberlippe, dann auch die Unterlippe, schließlich küsste er sie richtig, sein weit geöffneter Mund auf ihrem. Als sich ihre Zungen berührten, stieg eine Woge der Übelkeit in ihr hoch. Der Ekel überkam sie zuweilen, wo sie abwehrte, was sie innerlich faszinierte. Für sie gab es keine Anziehungskraft ohne Abstoßung. Es waren zwei Seiten derselben Medaille. Das Gerede von der reinen Abscheu war allzu oft nichts anderes als Heuchelei. Und gerade deswegen riss sie sich von ihm los und fing an zu laufen. Sie rannte, aber nicht um schneller weg zu kommen, denn dafür blieb ihr genügend Zeit, das wusste sie, sondern damit sie sich ihn wie all die anderen Kerle möglichst bald aus dem Kopf schlagen konnte. <o:p></o:p></span></div><!--EndFragment-->Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-17291723415726058262011-12-13T07:41:00.001+01:002011-12-13T11:09:57.884+01:00Dummheit<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Plötzlich erhob er sich, furchtbar bleich und mit dem Ausdruck einer grauenhaften, zur Verzweiflung gesteigerten Wut auf dem verzerrten Gesicht, das vor allem in dem hasserfüllten Blick zum Ausdruck kam, den er auf Susanne geworfen hatte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Was redest du denn von Individualität!«, sagte er ruhig und in einem Ton, als ob er mit diesen Worten etwas ganz anderes ausdrücken wollte. »Das ist doch alles Mist! Wir sind doch längst alle gleich. Guck uns doch an! Wir haben alle die gleiche Jeans. Wir reden die gleichen Sachen und denken die gleichen Gedanken.« Er sprach mit leicht angedeutetem Spott, war aber zugleich immer noch äußerst erregt, blickte argwöhnisch um sich mit seltsam flimmerndem und gleichzeitig ekstatischen Blick, so dass er die allgemeine Aufmerksamkeit im Restaurant fesselte. »Und was noch bedeutsamer ist: Wir sind alle Konsumenten. Wir wollen alle das Gleiche. Und das nicht erst als die zweitklassigen Dandys, die wir seit der Eröffnung der Kaufhäuser und der Erfindung des Schaufensters geworden sind. Verfressen, gierig und ungeduldig sind wir und wollen wenigstens unseren Frieden, am liebsten das Glück, auf jeden Fall aber Wohlstand. Die Dinge um uns herum scheinen das Glück buchstäblich zu versprechen. Also begehren wir sie. Wir wollen sie betrachten, kosten, einatmen, begreifen – sie in Besitz nehmen.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg3Gyvu0V-qz_XFCfoKzKgcNSpjk86TNqWD8_N32DtmsoNfhs1Ir6VSTvouMaGzodu6OchlX25-L9Uh8XF5Xzxq1oE8KJu5d5sc2R5hn6DyzhkfVayMBAhH-9vHRqVOPMLB3p_5fZ1zCZY/s1600/Chartier+Paris.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg3Gyvu0V-qz_XFCfoKzKgcNSpjk86TNqWD8_N32DtmsoNfhs1Ir6VSTvouMaGzodu6OchlX25-L9Uh8XF5Xzxq1oE8KJu5d5sc2R5hn6DyzhkfVayMBAhH-9vHRqVOPMLB3p_5fZ1zCZY/s320/Chartier+Paris.jpg" width="320" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Susanne lachte auf. »Bist du dir sicher?«, fragte sie und wischte mit der Handkante die Brotkrumen vom Tisch. »Siehst du das vielleicht nicht etwas zu eng?« Sie blickte ihn freundlich an und wartete darauf, dass er etwas entgegnete. »Du bist borniert«, sagte sie nach einer Weile. »Das habe ich leider erst viel zu spät bemerkt. Und der Bornierte ist ohne Arg gegen sich selbst. Er hält sich für gescheit und redet manchmal auch so, als wäre er es, weil er alles auswendig gelernt hat. Wie die Kakerlaken, die sich nicht aus ihren Löchern vertreiben lassen, lässt sich der Bornierte nicht aus seiner Dummheit werfen. Es ist unmöglich, ihn eine Weile ohne Scheuklappen umherzuführen und ihn zu zwingen, dass er sein dumpfes Weltbild mit anderen feinen Arten des Sehens zusammenhält. Dummheit ist lebenslänglich und leider hoffnungslos.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Du sprichst nicht von mir«, sagte er mit einem verlorenen, müden Lächeln auf den noch bebenden Lippen, »sondern von dir!« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Nein, nein«, entgegnete sie ebenso lächelnd, »von dir!«<o:p></o:p></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-76864946687552775372011-12-08T08:09:00.004+01:002011-12-12T06:45:18.726+01:00Auch ein blindes Huhn ...<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">»Niemand ist so veranlagt, dass man ihm trauen könnte!«, sagte Lucia hochtrabend, während sie die Hand hob, um ein weiteres Kännchen Kaffee zu bestellen. »Absolute Macht über das Leben eines anderen Menschen…« </span><br />
<span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">»Unsinn!«, fiel ihr Helga ins Wort, die appetitlos in ihrer Sachertorte herumstocherte. »Ich würde nie auch nur daran denken, jemanden zu ermorden!« Die beiden älteren Damen saßen in einer Ecke im Maldaner, dem Kaffeehaus und selbsternannten Wohnzimmer von Wiesbaden, wie sie es jeden Dienstag und Donnerstag Nachmittag taten.</span><br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»O doch. Du würdest«, beharrte Lucia. »Wenn du weißt, dass es keine Konsequenzen hat! Du und jeder andere.« <o:p></o:p></span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEijJPh3aFhLwZuBz32HXPWGt401GfZGMdMyfATu5dLbOFtkXq-Xky86_s6W4oXDrjAUkDQgXwFxRcf0Ftok-aP29vFiWzUT6WIw5rGNQOWSSst-CllpGZi7GXvGnUZ5jveW4GSL4LLVX3s/s1600/Sachertorte_9.png" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEijJPh3aFhLwZuBz32HXPWGt401GfZGMdMyfATu5dLbOFtkXq-Xky86_s6W4oXDrjAUkDQgXwFxRcf0Ftok-aP29vFiWzUT6WIw5rGNQOWSSst-CllpGZi7GXvGnUZ5jveW4GSL4LLVX3s/s320/Sachertorte_9.png" width="240" /></a></div><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Aber das ist doch Quatsch«, entgegnete Helga erregt und warf die Kuchengabel geräuschvoll auf den Tisch.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»So? Meinst du?« Lucia lächelte und hob vielsagend die Augenbrauen. »Warum denkst du wohl, das um den Mord all diese raffiniert ausgeklügelten Hürden errichtet wurden?« Sie machte eine kurze Pause, um die Wirkung ihrer Frage abzuschätzen. »Weil es sich um ein Verbrechen handelt, zu dem jeder fähig ist. - Mord ist so natürlich wie Essen und Trinken.« Sie tat einen Schluck aus ihrer Tasse, wie um das Gesagte zu verdeutlichen. »Und dieser Gärtner ist dazu fähig. Das sage ich dir. Als ich mich bei ihm heute morgen noch einmal nach dem Leben der Verstorbenen erkundigen wollte, war er nicht in seiner Wohnung, im Souterrain übrigens, sondern obendrüber, in ihrem Haus. Was hat er da gewollt, frag ich dich? Er ist doch nur ihr Gärtner, - äh, war ihr Gärtner. Das Haus war klinisch sauber. Alles piccobello. Kein Papier lag herum, die Bilder hingen an ihrem Platz…« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; mso-outline-level: 1; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Siehst du!« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ja, aber das ist es doch gerade. Alles verbreitet eine kühle, frostige Atmosphäre, als ob nie jemand im Haus gewohnt hätte, als ob man etwas vertuschen wollte.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Hör mir doch auf! Ist es nicht so, dass wir immer nur das sehen, was wir sehen wollen? Seitdem du Trauerbegleiterin bist, siehst du überall nur Morde.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"><br />
</span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 10.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh7F5C1lqjPmoI3Th85XMK_PHwk9eo_yhnIwo27g4ogBu3LajEaWFZbkGzgk_TBI1S0gBdn3cMYPlJfaRWvHllaWlLkN0uuF8nJdI3kPK90ca5-vuS-718xIPa-KTuqzH-3H88aalaPLvw/s1600/Auch+ein+blindes+Huhn+-+Titelbild.png" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh7F5C1lqjPmoI3Th85XMK_PHwk9eo_yhnIwo27g4ogBu3LajEaWFZbkGzgk_TBI1S0gBdn3cMYPlJfaRWvHllaWlLkN0uuF8nJdI3kPK90ca5-vuS-718xIPa-KTuqzH-3H88aalaPLvw/s200/Auch+ein+blindes+Huhn+-+Titelbild.png" width="122" /></a><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 13px; line-height: 25px;"><a href="http://lokalestadtausgabe.de/topmenu/books/" style="color: #0b5394; text-decoration: none;">© Neumann, Hubert: Auch ein blindes Huhn. Mainz 2011.</a></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 10.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-size: 8pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: 'Trebuchet MS', Trebuchet, Verdana, sans-serif; font-size: 13px; line-height: 18px;"></span></span></div><div class="MsoNormal" style="font-size: large; line-height: 19pt; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: xx-small;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Times; font-size: 11px; line-height: 13px;">Bestellung signierter Exemplare hier auch unter dem Reiter "Kontakte". </span></span></span></div><div class="MsoNormal" style="font-size: large; line-height: 19pt; text-align: justify;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Times; font-size: small;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: 11px; line-height: 13px;"><br />
</span></span></div><br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 10.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-size: 8pt;">Niemand ist so veranlagt, dass man ihm trauen könnte! – Das ist die fixe Idee der Mainzer Grabrednerin Lucia Herzer, einer pensionierten Lehrerin, die hinter jedem Trauerfall einen Mord vermutet. Sehr zum Missfallen ihrer Wiesbadener Freundin Helga. Denn die selbst ernannte Mainzer Miss Marple geht dabei fast immer in die Irre. Sie beschuldigt unbescholtene Bürger und lässt sich zu waghalsigen Aktionen verleiten, die für die beiden Freundinnen nicht immer ungefährlich sind. Doch auch ein blindes Huhn wie sie findet manchmal ein Korn.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 10.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-size: 8pt;">Dieser Stadtkrimi, an dem die Leser der „Stadtausgabe Mainz“ als Ideengeber mitgewirkt haben, ist mehr als nur eine bloße Aneinanderreihung von Aha-Erlebnissen – etwa wenn man die Kneipe an der Ecke oder bestimmte Mainzer Persönlichkeiten wiedererkennt. Er ist urkomisch und spannend zugleich.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 10.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-size: 8pt;"><br />
</span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 10.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-size: 8pt;"><br />
</span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-40333846879048773802011-12-07T10:22:00.000+01:002011-12-07T10:22:01.936+01:00Engel<!--StartFragment--> <br />
<div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: large;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: 17px;"> <!--StartFragment--> </span></span></div><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: large;"><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Ein Mann, der es zuließ, dass er so roch, lebte sicherlich allein und war mit niemandem befreundet. Sie stellte sich vor, dass er irgendwelche schmutzigen Dinge tat und sich nichts dabei dachte, dass er mit Nutten schlief. Er war ein Mann ... Und irgendwie musste er seine Triebe befriedigen. <o:p></o:p></span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhK78pVF-n8eGq-ZSsjlVx1zG7thHCX428ZS7ZL0fOIjavfEQCYogc3cSGGg1HeDIkWfnhIDQ6OYwLzkt0UHTM7wqqyvyWVF67tH7h6Ph7pa_u6l06qA4cKBZNAF1522YqVgRyx6Obqatc/s1600/Engel.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhK78pVF-n8eGq-ZSsjlVx1zG7thHCX428ZS7ZL0fOIjavfEQCYogc3cSGGg1HeDIkWfnhIDQ6OYwLzkt0UHTM7wqqyvyWVF67tH7h6Ph7pa_u6l06qA4cKBZNAF1522YqVgRyx6Obqatc/s320/Engel.jpg" width="320" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Sie kamen in sein spärlich möbliertes Zimmer. Am Fenster stand ein Schreibtisch, davor ein Stuhl. Zwei Sessel, deren Polsterbezüge blankgewetzt waren, und ein Abstelltisch in der Mitte des Zimmers, eine Bettcouch, ein großer Schrank und ein Bücherregal an der Wand. Aber überall dazwischen auf dem Teppichboden, der an einigen Stellen nahezu durchgeschlissen war, und auch auf dem Schrank standen oder lagen Engelsfiguren herum, kleine und große beflügelte, aber staubbedeckte Wesen: Friedensengel, Liebesengel, Gartenengel, Musikengel, Alpenengel, Kerzenengel, Engel mit Teelichthaltern, Schutzengel und Kindsengel, niedliche Putten mit Kopf und Flügeln, Erzengel, gewaltige Lichtgestalten mit vier oder sechs Flügeln oder gar mit Tierfüßen, Seraphim und Cherubim, Todes- und Racheengel, in denen der Zorn Gottes Gestalt angenommen hatte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Sie staunen über die vielen Engel?« fragte er. »Nicht wahr? – Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht aufgeräumt habe, aber ich konnte nicht wissen, dass ich so spät in der Nacht noch einen so reizenden Besuch wie Sie mit nach Hause bringe. – Aber nehmen Sie doch Platz.« Er deutete auf einen der Sessel. »Tja«, fuhr er am Türrahmen stehend fort, während sie sich durch die staubigen Engel hindurchkämpfte, langsam, damit sie keinen an- oder schlimmstenfalls umstieß. Man konnte ja nie wissen, was dabei alles aufstob: kleinste Lebewesen, die in ihren Mund gelangten und sich in ihren Nasenlöchern festsetzen konnten. Schuppen, Schorf und getrockneter Schleim. Sie wagte kaum zu atmen. »Ich betreibe einen kleinen Webshop. Mit den Engeln. Aber das Geschäft läuft nicht mehr so gut. Ich weiß nicht, warum. Am Anfang wurden mir die Engel noch regelrecht aus den Händen gerissen. Aber jetzt … Ganz anders ist es mit den Engelsessenzen.« Er deutete auf die kleinen, braunen Arzneifläschchen, die auf dem Fenstersims standen. »Das Geschäft boomt regelrecht.« Er räusperte sich, als sei es ihm unangenehm, darüber zu sprechen. »Aber was rede ich da? Es interessiert sie ganz sicher nicht.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Doch«, versetzte Marina schnell, die von so etwas noch nie gehört hatte. Sie war gerade am Bücherregal vorbeigekommen und musste einen Schritt zurücktreten, um keinen der Engel, die auf dem Boden herumstanden, umzustoßen. Dabei fuhr sie nur leicht mit dem Finger über das Regal. Staub! Überall. Zum Glück trug sie Handschuhe. Sie hielt die Luft an, nur kurz. »Reden Sie nur weiter«, sagte sie, »Was sind denn Engelsessenzen?« Sie war endlich am Sessel angekommen und setzte sich, aber behielt Handschuhe, Mantel und Jacke an.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Engelsessenzen sind in Alkohol oder Wasser gebannte Energien, die von Engeln stammen. Sie verbreiten positive Schwingungen, die auch den Raum reinigen. Es handelt sich hierbei sozusagen um metaphysische Raumsprays.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Metaphysische Raumsprays«, wiederholte sie ungläubig und dennoch gespannt. Sie setzte sich in den Sessel. Das Blut pochte ihr bis in den Hals. Sollte sie sich in Beck getäuscht haben. War er doch kein Mann, der schmutzige Dinge tat? Ein feinsinniges Wesen etwa, wie sie selbst? Wenn er auch nicht von dem Getrampel einer Mücke in Ohnmacht fiel und von dem Geruch faulender Blumen Konvulsionen bekam … »Wie kommen Sie zu solchen Engelsessenzen?« fragte Marina jetzt voller Neugier. Sie hatte ein starkes Kratzen im Hals.<o:p></o:p></span></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgCBmnSpCKBglO-YD4H-tPDtg2_Svk6VXsuoZH5iVa21-4fxgknKfS7IzNdtMC9vCOFkOMU6C7WyzCdXxHu6Ag7pgP9lxe4p6CMrA3oR_iuVn_qHw7_4wfITDRtIV40e-PlgvWjTx2BjtY/s1600/gefallener+Engel.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgCBmnSpCKBglO-YD4H-tPDtg2_Svk6VXsuoZH5iVa21-4fxgknKfS7IzNdtMC9vCOFkOMU6C7WyzCdXxHu6Ag7pgP9lxe4p6CMrA3oR_iuVn_qHw7_4wfITDRtIV40e-PlgvWjTx2BjtY/s320/gefallener+Engel.jpg" width="320" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Nun«, erwiderte Beck, der immer noch im Türrahmen stand. Er zögerte etwas mit der Antwort. »Ich füll ein kleines Fläschchen mit reinem Alkohol ab und bitte dann den entsprechenden Engel, die Flüssigkeit zu energetisieren. Jeder Engel steht für eine besondere Eigenschaft. Der Flascheninhalt färbt sich daher immer unterschiedlich ein. Wenige Tropfen dieser Essenz werden dann in einem eigenen Fläschchen mit destilliertem Wasser vermischt, weil es weniger Informationen trägt als das Quellwasser. Die geballte Ladung der Originalflasche könnte man gar nicht aushalten. Die Mischung und Anzahl der Tropfen wird immer individuell abgestimmt. Danach wird das Fläschchen energetisch versiegelt, so dass keine Fremdeinwirkung hinzukommen kann.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Kann das jeder machen?«, fragte sie immer noch neugierig.<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Ich denke nicht.« Beck kratzte sich an der Glatze. Sein Gesicht wirkte teigig. »Man muss es in sich spüren. Man muss die Fähigkeit besitzen, sich mit den Engeln und anderen unsichtbaren Wesenheiten verbinden zu können.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Marina hörte gespannt zu, wurde unruhig in ihrem Sessel. »Und was geschieht …«, begann sie die Frage, wusste aber nicht, wie sie sie formulieren sollte. »Mit Engeln kenn ich mich nicht besonders aus. Engel oder Lichtgestalten haben doch, soweit ich weiß, nicht nur gute, sondern auch schlechte Eigenschaften.«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Was wollen Sie damit sagen?«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Nichts besonders.« Sie begann zu stammeln. »Ich, ich will nur sagen, wenn ich mich hier umblicke, sehe ich auch Racheengel.« Sie schwieg eine Weile, bevor sie weiter sprach. »Und Racheengel haben doch auch böse Eigenschaften. Kommen auch diese Eigenschaften zum Tragen? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will sagen: Auch Luzifer ist doch ein Engel oder war ein Engel.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Es wurde einige Sekunden vollkommen still. Marina hörte ihr Herz schlagen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiNVKqJaZUOKca1ThmSVTM_gopuC1iulLFp-1Sz1aCh2uSB1Z8mVwePvY7Voirvj8PCztN0iklXtKV26G2pPEChAfl5YhWtt3XlL2diLHxSuqeQnFMFc28FV5f_h6wap27LvFpjoYalFQY/s1600/Engelsflu%25CC%2588gel.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiNVKqJaZUOKca1ThmSVTM_gopuC1iulLFp-1Sz1aCh2uSB1Z8mVwePvY7Voirvj8PCztN0iklXtKV26G2pPEChAfl5YhWtt3XlL2diLHxSuqeQnFMFc28FV5f_h6wap27LvFpjoYalFQY/s320/Engelsflu%25CC%2588gel.jpg" width="320" /></a><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Sie wollen also fragen«, durchbrach Beck die Stille, indem er genauso stammelte wie zuvor Marina, »ob ich auch Essenzen von Luzifer habe?«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Marina nickte. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Keine Angst. Ganz sicher nicht! Bisher habe ich nur mit reinen Engeln zu tun gehabt, die ganz von Liebe durchzogen waren. Unreine Engel kann ich mir gar nicht vorstellen. Obwohl es sie sicherlich gibt.« Beck stockte. Er wurde unruhig. Das Thema war ihm sichtlich unangenehm. »Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, ich habe Sie noch gar nicht gefragt, ob sie etwas trinken möchten? Ich mach mir einen Tee.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">»Nein, danke!« entgegnete sie. »Wasser wäre mir lieb.« Sie würde nicht lange bleiben. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><br />
</span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: 'Trebuchet MS', Trebuchet, Verdana, sans-serif; font-size: 13px; line-height: 18px;"></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19pt; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: 13px;"><a href="http://www.amazon.de/Lusth%C3%A4ngen-Roman-Hubert-Neumann/dp/3897961962/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1322070021&sr=8-1" style="color: #0b5394; text-decoration: none;">© Neumann, Hubert: Lusthängen. Remscheid 2007.</a></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19pt; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;"><span class="Apple-style-span" style="font-size: xx-small;">Bestellung signierter Exemplare unter dem Reiter "Kontakt". </span></span></div><br />
<!--EndFragment--> </span><br />
<!--EndFragment-->Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-77125017540364900772011-12-06T09:17:00.000+01:002011-12-06T09:17:54.027+01:00Lachen<!--StartFragment--> <br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiedsmf_PDKvcuCf0EFdMsZqwAztLSGM7ugCPguOnTASlEuhehr14Uqtg-gVDVZpDHG8LU5TdODmKWyoKE4PQ0i7lGoL_8VKHsRuq_xgMeyAc8y_h7uj7casK44kTKB0WW3tQ5k3_-hH3Q/s1600/lachende+Buddhas.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiedsmf_PDKvcuCf0EFdMsZqwAztLSGM7ugCPguOnTASlEuhehr14Uqtg-gVDVZpDHG8LU5TdODmKWyoKE4PQ0i7lGoL_8VKHsRuq_xgMeyAc8y_h7uj7casK44kTKB0WW3tQ5k3_-hH3Q/s400/lachende+Buddhas.jpg" width="400" /></a></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Er hatte den Satz noch nicht beendet, da brach der ganze Saal in schallendes Gelächter aus. Es rollte von einer Ecke zur anderen. Die Reihen bogen sich. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13.0pt;">Plötzlich wurde ihm bewusst, dass es ganz gleich war, was er sagte, - die Menschen lachten. Es war eine Gabe, ein Talent, die Menschen zum Lachen zu bringen, nicht die akademische Rede. Er begriff, dass sich hinter dem Lachen kein Scheiterhaufen aufrichtete, dass Heuchelei und Betrug niemals lachten, sondern eine ernsthafte Maske anlegten, dass das Lachen nicht von Furcht, sondern vom Bewusstsein der Kraft zeugte, dass Lachen mit dem Zeugungsakt, der Geburt, der Erneuerung, der Fruchtbarkeit, dem Überfluss, dem Essen und Trinken, mit der irdischen Unsterblichkeit des Volkes, endlich mit der Zukunft und dem Neuen zusammenhing, dass es ihnen den Weg bahnte. Er begriff aber auch, dass es ihm selbst eine große Chance bot. Wer die Kunst beherrschte, die Menschen zum Lachen zu bringen, konnte anderen einen Spiegel vorhalten, ohne dass er verunglimpft wurde, konnte die Wahrheit sagen, ohne dass man ihn tötete; er hatte letztendlich Macht, viel Macht, die er für seine Zwecke einzusetzen verstehen würde. <o:p></o:p></span></div><!--EndFragment-->Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7934835902950668703.post-82018685846960267402011-12-05T07:01:00.003+01:002011-12-06T09:18:51.896+01:00Schwermut<div style="text-align: justify;"><span class="Apple-style-span" style="font-family: Garamond; font-size: 17px; line-height: 25px;">»Die Zunge«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wo ich meine Zunge hinlegen soll.« Sie umgab ein schweres, undurchdringliches Dunkel und hielt ihr Hirn wie mit eisernen Klammern umfasst.</span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Er lehnte sich nach hinten gegen sie, angezogen von dem vertrauten Geruch ihres Haars. Plötzlich zitternd angesichts der Gefahr dessen, was geschehen würde, löste er seine Finger von ihrem Arm. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte sie. Ihre warmen Lippen streiften seine Wangen, und dann strich sie in einer Geste beiläufiger Vertrautheit das Haar aus seinem Gesicht. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiPHYoVBCVz1Gi2igMX4Ggy0jIp8FSUathTIJY1qVqfzBU4j2W_aN-UK5F_HypQYKRnOH-R99OPa7wu6PJ0wCpBTpfPM89NBQFrr9sQ4qCkKpv_F9GEjwYEIkuk_0nOznIHt7NHv8fuLhs/s1600/Melancholia.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiPHYoVBCVz1Gi2igMX4Ggy0jIp8FSUathTIJY1qVqfzBU4j2W_aN-UK5F_HypQYKRnOH-R99OPa7wu6PJ0wCpBTpfPM89NBQFrr9sQ4qCkKpv_F9GEjwYEIkuk_0nOznIHt7NHv8fuLhs/s400/Melancholia.jpg" width="400" /></a></div><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Laute Stimmen, ein vergnügter Ausruf gefolgt von behäbigem Lachen hallten unvermutet durch den Innenhof. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Es war dein Wunsch«, sagte er leise. »Nicht meiner.« Er stand auf und sah sie an. Ihr Blick war leer und unbeteiligt. Er spürte ihre wirkliche, ihre unheilbare Wunde, die schwermütige Antriebslosigkeit, die Traurigkeit, die sich zwischen ihnen wie eine Wüste erstreckte; sie kam und ging wie ein fremdes Wesen. Sie hatte verhindert, dass sie ihre Talente voll ausschöpfen konnte, hatte ihrer beider Leben in den letzten Jahren zu einer Tortur werden lassen. Sie hatte es ihnen überhaupt unmöglich gemacht, die einfachen Freuden des Lebens zu genießen, die anderen Menschen durch das Leben helfen. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">»Weck mich morgen früh«, sagte sie. »Und wenn ich nicht aufstehen will, dann zieh mich aus dem Bett.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Wie ein Schatten stand er im Raum und ging mit seinen harten Augen über den schmutzigen Boden. »Hast du mich deswegen kommen lassen?«<o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie antwortete nicht. <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Plötzlich empfand er eine wütende Empörung, nicht darüber, dass sie schwieg, sondern dass sie ihn wieder einmal mit einer aufreizenden Gelassenheit instrumentalisierte. »Ich kann doch dein Leben nicht leben«, sagte er, »nur weil ich es verstehe, besser zu leben.« <o:p></o:p></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 19.0pt; mso-line-height-rule: exactly; text-align: justify;"><span style="font-family: Garamond; font-size: 13pt;">Sie stand auf und mit einem Male lag sie ihm am Hals. Ihm war, als hätte er ihr Herz leibhaftig und blutend und stoßend in seine Hand, und es rönne ihm über die Finger. Nie wieder würde er ein fremdes Leben so fühlen. <o:p></o:p></span></div>Hubert Neumannhttp://www.blogger.com/profile/18126729451033558444noreply@blogger.com0