
Aber das war für Maria noch lange nicht das Schlimmste. Eine Frau auf dem Rad! - Grinsend standen sie da in Stadt und Land, sahen ihr nach, und überschütteten sie mit höhnischen Redensarten, gemeinen Schimpfworten, wenn nicht noch Schlimmerem, das sie trotz ihres Alters vor Scham erröten ließ. Ihre Verwandten sagten ihr die Fehde an, wenn sie das Radfahren nicht ließe. Selbst ihr Mann enthielt sich nicht beleidigender Reden, besonders hinsichtlich der Selbstbefleckung.
»Es kann keinem Zweifel unterliegen«, sagte er von Medizinalrat Röver belehrt, »dass kaum eine Gelegenheit zu vielfacher und unauffälliger Masturbation so geeignet ist, wie sie sich beim Radfahren darbietet. Wenn man ganz absieht von denjenigen Fällen, in denen der Sattel in ganz besonderer Absicht mit einem nach oben gekrümmten Vorderteil versehen wird, so bietet auch sonst der Sitz rittlings mit ausgespreizten Schenkeln und vornübergeneigter Haltung, ausreichend Möglichkeit, solchem Hange nachzugeben. Sieh dir doch die radelnden Mädchen an! Sie sind zuweilen schon äußerlich in ihrem ganzen Auftreten auffällig: blass, mit müdem Gesichtsausdruck, dunkel umrandeten, matten Augen, träge in ihren Bewegungen, lieben sie es recht lange im Bett zu bleiben.«
Maria verzichtet auf den Verkehr mit ihm und blieb ihrem Rad treu. All dieser Ärger und schließlich der Umstand, dass sie durch Einspänner wiederholt in Lebensgefahr geriet, was sie niemandem erzählen durfte, ohne einen ganzen Sprichwörterschatz, wie ›Wenn dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis‹, gegen sich mobil zu machen, hätte sie vielleicht doch bewogen, das Radfahren aufzugeben, wenn nicht ihr Vater sechs Meilen von Bonn krank gelegen hätte.
Er war immer sehr erfreut darüber, wenn sie auf dem Fahrrad heranrauschte, und einmal ließ er sich sogar ans Fenster tragen, um sie auf dem Rad zu sehen.
»Lass die dummen Menschen reden«, sagte er, »und harre aus! Das Ding hat eine große Zukunft.«
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen