Dienstag, 13. September 2011

Die kleine Sirene


»Tu das nicht! Du wirst es bereuen«, schrie der Krüppel ihm nach, als er mit dem toten missgestalteten Säugling die steile Böschung zum Bach hinunterstieg.  

Die Stimme kam unvermutet, so dass er unwillkürlich seinen Kopf einzog, das Gleichgewicht verlor und auf einem Stein ausrutschte. Als er fiel, machte es ein dumpfes, schmatzendes Geräusch.  Danach hatte er den unangenehmen Geschmack nasser Erde im Mund. Er machte keine Anstalten, sich aufzurichten, und blieb liegen, im hohen Gras. Er grinste. Die dort oben konnten ihn jetzt nicht mehr sehen, dafür aber die Missgeburt, die er immer noch in der weit von sich gestreckten Hand hielt, so dass es den anderen vorkommen musste, als schwebe sie lebendig über den Halmen in der Luft. Er schwang sie hin und her, bewegte ihre Hand bald auf die eine, bald auf die andere Weise und machte dunkle Geräusche, die aus der Tiefe seiner Gedärme kamen. Dann vergnügte er sich damit, ihren Mund zu öffnen und zu schließen, als wolle sie etwas sagen. Der Gedanken, dass denen dort oben das Blut in den Adern gefrieren musste, amüsierte ihn gewaltig. Schließlich rollte er sich nach unten zum Bach, legte sie ins Wasser, badete sie, und wartete darauf, dass sie sich tatsächlich belebte, eine winzige Nixe, die ihm gleich davonschwimmen würde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen