Sonntag, 7. Oktober 2012

Drei Minuten - höchstens

Christoph sah sie an, wie er sie immer ansah, wenn er sie wollte, und zog sie an sich. Seine Hände befühlten ihre Gesicht, ihren Hals, ihre Kehle, während sie, ohne sich aufzurichten, ihren Büstenhalter öffnete.
Was war sie in diesem Augenblick für ihn? Seine Frau? Seine Hure?  Er brauchte sie, das spürte sie. Auf diese Weise ließ er den Tod hinter sich, vielleicht auch seine Dummheit. 
Er kam zu ihr, ohne ein Wort, und seine vermeintlichen Zärtlichkeiten, die sich lediglich auf den Bereich um ihre Brustwarzen beschränkten, forderten etwas. Doch was?
Sie ließ ihr neues, kurzes Kleid allmählich hinabgleiten, ohne sich aufzurichten - eine peristaltische Bewegung, als ob sich ihre Körperteile nacheinander zusammenzögen -,  und spreizte bereitwillig ihre Beine, als sie spürte, dass sein steifes Glied hartnäckig versuchte, in sie einzudringen.
Während er sie fickte, so bezeichnete er das, was er gerade tat, dachte sie an Julian, der dieses Wort niemals in den Mund nehmen würde. Julian sprach immer davon, dass er sie im Fleische erkannte. - Sich im Fleisch zu erkennen, eine etwas seltsame Bezeichnung für das ewige Spiel. Aber es war ein anderes Spiel, das sie mit ihm spielte, ein vielfältiges, zärtliches. Das eigentlich Seltsame daran war, dass diese Worte das Spiel veränderten. 
Sie spürte noch immer Julians weiche Zunge in ihrem Mund, ein Gefühl, etwas Besonderes, nein, sich selbst zu sein. In ihren Gedanken ließ sie sich von ihm umfangen, sich suchen, ihre Haut wieder und wieder entdecken, ihren Bauch, ihr Scham. Auf einmal konnte sie kaum noch atmen und keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr Herz raste, als wollte es zerspringen, sie bekam kaum Luft.
»Ich liebe dich. Ich liebe dich«, flüsterte Christoph. Das war die Geschichte, die er ihr immer wieder erzählte, vom Stöhnen unterbrochen, als sei es eine schwer zu tragende Last: »Ich liebe dich.«
Es endete, wie es begonnen hatte. Sie spürte, dass er kurz vor dem Höhepunkt war. Sie musste  hier unbedingt haltmachen. Noch ein Schritt weiter und es gäbe kein Zurück mehr. Doch sie wies ihn nicht zurück und wartet mit angespanntem Körper, klanglos seufzend, darauf, dass er endlich kam. Es dauerte immer drei Minuten, höchstens. 
Sein Rausch war verflogen, und sie fühlte, wie sein Glied erschlaffte, sich entzog, sich verkleinerte, als schämte es sich für den ganzen Mann. Vielleicht auch über sie?

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