Mittwoch, 7. September 2011

Wenn's oben nix is

»Bleib doch noch«, sagte die Alte leise, ohne von seiner Hose auf ihrem Schoß aufzusehen, als er sich noch einmal nach ihr umwandte. »Vielleicht ist’s das letzte Mal«, sagte sie. »Der Herrgott dort droben wird mich bald holen.« Dann schwieg sie wieder.
»Ach was!«, sagte er und deutete auf den Berg Wäsche, den er ihr vorbeigebracht hatte. »Du hast noch so viel zu tun, da wird er dich nicht holen.«
Er blieb im Türrahmen stehen und betrachtete die Röte, die sich auf ihren eingefallenen Wangen zeigte, den alten Körper, der sich erwartungsfroh straffte, die dünnen Finger, die die Nadel umfassten, dann ging er zurück, setzte sich neben sie auf den wurmstichigen Stuhl und schaute ihr ebenso schweigend beim Nähen zu.
Sie lächelte zufrieden in sich hinein wie ein Kind auf einem Holzpferd kurz bevor sich das Karussell in Gang setzt.
Hoch und runter ging die Nadel durch die vier Löcher des Knopfes, und die geschickten sicheren Bewegungen ihrer linken Hand, mit der sie ihn annähte, hatte alle Eleganz, die ihre Sprache vermissen ließ. Nach einer Weile legte sie das Nähzeug zur Seite und richtete sich auf. »Wenn's oben nix is«, sagte sie unvermittelt und schüttelte den Kopf, »war's nix!«

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