Dienstag, 22. November 2011

Tanz

In dem Moment, als jemand die Beleuchtung dämpfte und eine neue Tanzrunde ansagte, spürte Anna eine Hand an ihrem Ellbogen.
»Tanz, mein Kind, tanz«, flüsterte der kleine Mönch, indem er sich um seine eigene Achse drehend von ihr wegbewegte. »Die Musik öffnete die Luftlöcher des Körpers, aus denen dann die bösen Geister ausziehen können.« Er tänzelte gestikulierend wieder auf sie zu, den Kopf nach oben und den Rücken leicht nach hinten gelehnt, setzte Schritt vor Schritt. Dann rief er: »Die Töne sind Luftbewegungen und die Geister luftige Wesen.« Er wirbelte im Saal umher. Das Licht der Fackeln glitt über ihn hinweg. Die kleinen Augen hinter den beiden Fettwülsten seiner Lider öffneten und schlossen sich hektisch.
»Spielt schneller«, rief er zu den Musikanten, »spielt schneller. Denn schnellere Musik ruft schnellere Lufterschütterungen hervor und versetzt die Lebensgeister in schnellere Bewegung.« Speichel klebte auf seinem Mund.
Anna fühlte, wie sich ihr Herz zusammenzog bei seiner Erklärung. Sie starrte ihn an. Dann lachte sie kurz und hart auf, als wollte sie sich gleich über ihn lustig machen. Stattdessen aber zog sie den Mantel aus, warf ihn auf den neben ihr stehenden Stuhl und stürzte tanzend und springend auf ihn zu.

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