Freitag, 7. Oktober 2011

Englischer Schweiß


 Aus den Poren der Kranken schwemmte der Schweiß unablässig stecknadelkopfgroße Talgpfropfen, die man wegen ihrer schwärzlichen Köpfchen für wurmähnliche Larven hielt und als Mitesser bezeichnete.
Diese kleinen Maden seien unmissverständliche Anzeichen des drohenden körperlichen Zerfalls, sagten die einen. Denn die scharfsinnigen Tierchen könnten jene geheimnisvollen Zeichen von Auflösung und Tod erkennen, die dem menschlichen Blick verborgen blieben. Wenn die Leiber abstürben, behaupteten sie, kämen diese klebrigen und zähen Wesen aus der Tiefe der Eingeweide hervor, um durch die Schweißlöchlein hinauszusteigen. - Das könne man doch auch immer wieder bei verfallenden Häusern oder gar sinkenden Schiffen beobachten, aus denen allerlei Kleingetier wie Ratten, Mäuse und Siebenschläfer floh.
Die anderen wiederum, und das waren die meisten, deuteten die Maden als Zeichen der Genesung, ja sie seien wie Noahs Tauben Vorboten der Errettung. Denn der Böse Feind, der in Gestalt des Gewürms in das Innere der Kranken eingedrungen wäre und von ihnen Besitz ergriffen hätte, würde durch den Schweiß wie durch die Sintflut wieder herausgespült werden. Daher, mahnten sie, müssten die Siechen weiter schwitzen und vor unheilvollen Kräften geschützt werden...

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